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Er kann auf 800 Jahre ununterbrochene Chorgeschichte zurückblicken, der
berühmte Thomanerchor Leipzig. Mit seinem unverwechselbaren Klang
begeistert einer der ältesten Knabenchöre der Welt das Publikum in den
internationalen Konzertsälen und ganz besonders in der Leipziger Thomaskirche,
dem Zentrum seiner Arbeit. Mit dem Thomaskantor Karl Straube
und seinem Schüler Günther Ramin entstand in den 1920er- und 1930er-
Jahren die moderne deutsche Bachtradition, zu einer Zeit, als die Bemühungen
um historische Aufführungspraxis in Frankreich, Belgien und Deutschland
noch als vereinzelte Pionierleistungen zu werten waren. Ramin, der nach
Straube das Amt übernahm, steuerte den Chor sicher durch die Zeit des
nationalsozialistischen Regimes und des Zweiten Weltkriegs und führte
die Thomaner nach 1945 zu internationalen Ehren. Seine Auffassung der
Bachinterpretation hat ihm in den Feuilletons den Ehrentitel "Der absolute
Evangelist" eingebracht. Die vorliegenden Aufnahmen geben einen Einblick in
das Wirken dieses Thomaskantors während der Vierziger- und Fünfzigerjahre.
Sie zeichnen das Bild einer Bachtradition von künstlerischem Rang. Zu hören
ist unter anderem die Matthäuspassion in einer historisch wichtigen Aufnahme
von 1941, die nach dem Krieg im Ausland viel Aufmerksamkeit auf sich
gezogen hat und später in der Bundesrepublik mit dem Preis der Deutschen
Schallplattenkritik ausgezeichnet wurde. Sie ist nicht nur ein wichtiges
Tondokument der Arbeit Ramins mit "seinen" Thomanern; sie erinnert auch
an große Gesangskünstler jener Jahre, unter ihnen Gerhard Hüsch, einer der
bedeutendsten Liedersänger jener Zeit, oder Karl Erb, an dem bis heute Tenöre
dieses Genres gemessen werden. Auch die durch ihre legendären Pamina-
Interpretationen legendär gewordene Tiana Lemnitz gehörte dem Ensemble
an. Ein weiteres bedeutendes Tondokument des berühmten Knabenchores
unter seiner Leitung ist die 1954, zwei Jahre vor Ramins plötzlichen
Tod, entstandene Aufnahme der "Johannespassion". Die Aufnahme des
"Magnificat" von 1944 ist die erste Gesamtaufnahme dieses Werkes überhaupt.
Die sechs Motetten Bachs, hochvirtuose Kompositionen, bei deren
Anhören Mozart nach eigenem Bekunden mit einem Mal die Größe Bachs
aufging, sowie eine kleine Auswahl aus dem Kantatenwerk (unter der
Leitung- des Ramin-Nachfolgers Kurt Thomas) geben ebenfalls ausgezeichnete
Beispiele für den faszinierenden Klang der Thomaner ab. Als Solisten
sind brillante Interpreten jener Zeit zu hören, darunter Agnes Giebel, Marga
Höffgen, Ernst Häfliger, Hermann Prey, Josef Greindl und Theo Adam.