Beethovens Musik war für Wilhelm Furtwängler das Maß aller Dinge. Beethovens Sinfonien bildeten den
Kern seines Repertoires. Dass er der ersten Sinfonie im Konzert seiner eigenen kolossalen
e-Moll-Sinfonie gegenüber stellt, zeigt, welche Bedeutung er dem Erstling Beethovens zusprach.
Abgesehen von Furtwänglers dramatischer Lesart von Beethovens Opus 21 - er entdeckt Nuancen, die das
Werk aus der Haydn-Nachfolge in den Kreis des späten Beethoven stellen -, ist das Hauptwerk des
Konzertes vom 30. März 1954 natürlich seine eigene e-Moll-Sinfonie. Furtwängler hatte das Werk am
18.10.1945 in der Schweiz beendet und leitete am 22.02.1948 die Uraufführung mit den Berliner
Philharmonikern. Das Publikum ahnte nicht, dass der Komponist/Dirigent in der Probe einen
Ohnmachtsanfall erlitten hatte, aber es war tief beeindruckt von der emotionalen Kraft des Werkes.
Furtwängler brachte seine Sinfonie in den folgenden Jahren in Hamburg, Winterthur, München,
Frankfurt, Wien, Kassel, Zürich und Stuttgart mit den jeweils dort ansässigen Orchestern zur
Aufführung. Auch am 20.9.1954 im Berliner Titania-Palast bei Furtwänglers letztem Konzert zwei
Monate vor seinem Tod stand noch einmal diese Sinfonie auf dem Programm - wie in Stuttgart fünf
Monate zuvor gekoppelt mit der ersten Beethoven-Symphonie. Eine symbolträchtige Kombination:
Furtwänglers Sinfonie zieht gleichsam das Fazit einer Epoche, die mit Beethoven begonnen hat.