Als der zweiundsiebzigjährige Leopold Stokowski 1954 zum Südwestfunk nach Baden-Baden kam, war er
bereits eine lebende Legende. Zusammen mit Toscanini und Koussevitzky hatte er das amerikanische
Musikleben in der ersten Hälfte des
- Jahrhunderts entscheidend geprägt. Nach Baden-Baden kam
Stokowski gern, da man dort bezüglich der Programmgestaltung experimentierfreudiger war als
anderswo. Bei seinem ersten Besuch 1954 dirigierte er ausschließlich Musik des
- Jahrhunderts. Er
erkannte sofort die Qualitäten des von Hans Rosbaud trainierten Orchesters und die Musiker rühmten
die Intensität und Effektivität seiner in fließendem Deutsch gehaltenen Proben. Das ausgezeichnete
Orchester des Südwestfunks, sonst vornehmlich auf Klarheit, Werktreue und Präzision abgestimmt,
wandelte sich unter seinen Händen. Der Klang blühte auf, gewann Fülle und Wärme. Von Baden-Baden
fuhr Stokowski direkt nach Stuttgart, wo am
- Mai 1955 drei der berühmtesten "Schlachtrösser"
seines Repertoires auf dem Programm standen.
Dort bot er eine ekstatische Aufführung von Vorspiel und Liebestod aus Tristan und Isolde in der auf
Wagner zurückgehenden Konzertfassung mit kleinen instrumentalen Retuschen.