Eines der Gestaltungsprinzipien der 3. Sinfonie resultiert aus Beethovens Begeisterung für die
Französische Revolution und den Ersten Konsul Bonaparte: Im Weg von den fetzenhaften und rastlosen
Figuren des ersten Satzes über die Melodien der Mittelsätze bis hin zu der "Humanitätsmelodie" des
Finale mit seinen ungarischen und deutschen Variationsfolgen und dem Geschwindmarsch am Schluss wird
die Geschichte der Menschwerdung durch die Taten eines titanischen Helden erzählt. Der "Prometheus
der Epoche", nämlich Bonaparte, werde es - mit deutlichem Hinweis auf die Hoffnungen der deutschen
Republikaner - seinem mythischen Vorgänger schon gleichtun und den unterdrückten Menschen die Fackel
der Vernunft und Freiheit ans Herz legen. Als Bonaparte sich immer mehr als Eroberer zeigte, gewann
der deutsche antifranzösische Patriotismus an Kraft - auch in Beethoven.
Nach dem steilen stilistischen Anstieg der drei ersten Sinfonien wirkt die Vierte wie das befreite
Aufatmen nach einem enormen Arbeitspensum. Hector Berlioz schreibt über das Adagio: "Es ist hätte
der Erzengel MIchael diesen Satz ausgehaucht, als er eines Tages auf der Schwelle des Feuerhimmmels
aufrechtstehend, in einer Anwandlung von Trübsinn die Welten betrachtete." Und den in ein
"erstaunliches" crescendo eingebundenen langen Paukenwirbel in Beethovens Vierter bewertete er als
"eine der besten musikalischen Erfindungen, die wir kennen."
Mit der Aufnahme der neun Sinfonien Ludwig van Beethovens, gespielt vom Radio-Sinfonieorchester
Stuttgart des SWR, resümiert dessen Chefdirigent Sir Roger Norrington seine langjährige
Auseinandersetzung mit der Musik Beethovens. Es geht Norrington darum, der Musik "zu ihrem Recht zu
verhelfen, indem der ihr eigene Geist bewahrt wird". Norrington und dem Radio-Sinfonieorchester
Stuttgart gelingt dies bravourös durch die Verbindung der historisch informierten Aufführungspraxis
mit den Mitteln eines modernen und flexiblen Sinfonieorchesters.