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Sommer 1977. Wir sind mitten in den Vorbereitungen zu meinem zweiten Album (das erste heißt "Bluesfaces" und ist schon ein paar Jahre alt). Konstantin Wecker, Harold "Hucky" Faltermeyer und ich schreiben, arrangieren und lassen die Songs entstehen. Ich verehre Curd Jürgens, dem sie das schöne Lied "Sechzig Jahre und kein bisschen weise" auf den normannischen Leib geschneidert hatten. Ich will so was Ähnliches schreiben, aber ich bin halb so alt, laboriere rum mit so banalen Zeilen wie "Wenn ich mal Sechzig bin..." und bleibe mit dem Fragment stecken. Conny sagt, "gib mir das mal, ich will mal sehen, was mir einfällt" und kommt am nächsten Tag mit einem wunderschönen Song ins Studio: "Werd ich noch jung sein, wenn ich älter bin?" Catchy, ohrwurmig, berührend. Hucky F. schreibt das Arrangement, es wird der Titelsong des Blauen Albums - der Rest ist History. Im "Marienkäfer" finde ich die Musiker für meine erste Reiner Schöne Band. Das ist in diesen Jahren der Hotspot in München, der Szenetreff der Musiker und Opera-Kuriosa-Kreativen um die wunderbare Marianne Sägebrecht. Es ist eine kurze, produktive Zeit. Gigs, an die wir alle sehr gerne zürückdenken. Im Hamburger "Onkel Pö" wird der "Thüringer Fernwehblues" aus der Taufe gehoben. Die Leute biegen sich vor Lachen, aus dem klassischen zwölftaktigen Blues wird nix, wir müssen immer wieder Takte einschieben, bevor ich weitersingen kann. 1979 ziehe ich nach Hamburg, die Band bleibt in München. Und mit der zweiten RSB, meinen Hannöverschen Jungs, wird die Gangart härter; bei unserer ersten Tour 1979/80 strömt noch das Liedermacherpublikum, die "Werd ich noch jung sein"-Connaisseurs, aber beim ersten Brett, das geflogen kommt, die elektrischen Gitarren auf 10, halten sich unten alle die Ohren zu. Das Rock"n"Roll-Leder, auch schon mal ein scheues Stagediving, vor allem aber die Lautstärke verprellen die Altfans, gewinnen uns allerdings auch viele neue Freunde der Deutschrockerei. "Werd ich noch jung sein, wenn ich älter bin" aber bleibt in den Ohren. Und seit Jahren werde ich immer wieder gefragt, wo man den Song kriegen könnte. Doch die LP ist vergriffen; manchmal sehe ich sie auf Flohmärkten oder im Schrank von Freunden. Also liegt es nahe, endlich mal ein Remake zu machen. Die Musik der neuen, der dritten Reiner Schöne Band ist akustisch geworden, bluesbetont, passt in keine gängige Musikindustrie-Schublade. Singer/Songwriter-Musik heißt das heute, und der alte Wecker-Kollaborations-Song ist jetzt wieder nach all den Jahren meine Standard-Zugabe bei unseren Gigs. Das neue Album soll nach dem Titelsong "Mitten ins Herz" heißen, und das könnte eigentlich auch der Titel des Buches und somit des Hörbuchs sein. Beim Abhören der Tracks im Auto auf dem Heimweg von der Schule meiner Tochter aber kommt mir die Erleuchtung: No way, José, der Titel des Buches muss natürlich heißen "Werd ich noch jung sein, wenn ich älter bin". Wie das Lied, das sich seit 1977 wie ein roter Faden durch mein Leben zieht. Berlin, am 10. Februar 2012