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Die biografische Auseinandersetzung mit Wilhelm Furtwängler geschieht oft in Extremen: Je nach Standpunkt des Autors wird er moralisierend als politischer Opportunist, ja Marionette und Vorzeigedirigent der Nazis dargestellt, der sich als skrupelloser Egoist für propagandistische Zwecke einspannen ließ und dem Schatten dieser Jahre nie mehr entfliehen kann. Bewundernd aber wird er auch als musikalische Lichtgestalt, als Titan und Medium, als Retter der Verfolgten eines Gewaltregimes gesehen, dem er aktiv Widerstand leistete. In einem Punkt ist man sich allseits einig - über seine herausragenden Qualitäten als Dirigent; nach Joachim Kaiser ist er einer der "größten Interpreten, der je gelebt hat".
In der überarbeiteten und stark erweiterten Neuauflage seiner Biografie setzt Herbert Haffner Furtwänglers Fama mit der Realität in Beziehung und entdeckt den Menschen hinter dem Mythos. Nach umfangreichen Quellenstudien und Gesprächen mit Zeitzeugen kann er eine große Zahl von lange tradierten Irrtümern korrigieren und kommt zu vielen neuen Erkenntnissen über den Künstler, beispielsweise als Familienvater, über seine Beziehungen zur Münchener Bohème und zu schönen Frauen. Er klärt auch sein Verhältnis zum Musikwissenschaftler Heinrich Schenker, zu verschiedenen Dirigentenkollegen sowie den von Hitler verhinderten Versuch, in Salzburg ein ,Anti-Bayreuth' aufzubauen.
Da der Verfasser die jeweiligen zeitgeschichtlichen Hintergründe mit einbezieht, entsteht nicht nur ein Musiker-Buch, sondern ein kurzweiliges Kaleidoskop der deutschen (Kultur-)Geschichte in vier politischen Systemen.