Safiye Can nimmt es sehr genau mit dem persönlichen Ton. Angefangen von der richtigen Tonalität über die Tonlage oder -farbe des stimmlichen Ausdrucks bis hin zum jeweils einzig passenden Tonfall jeder kleinsten rhythmischen Einheit des poetischen Textes hat sie stets alles präzise im Ohr und wacht darüber als ihrem kostbarsten Eigentum. Es ist ihre Musik. Ihre Liebesgedichte sind eine Art Programmmusik, da tauchen immer wieder Motivverbindungen auf, die dem Leser oder Hörer in gewisse Stimmungen versetzen, Erinnerungen wachrufen, um Safiye wieder zu erkennen. Und zwar auch dann, wenn die vielfältigen Sinnvorstellungen, die dem "Rose-und-Nachtigall"-Motiv in der tausendjährigen arabischen und türkischen Tradition zugeordnet wurden, fremd sind. Safiye Can ist Tscherkessin, zu einem türkisch-kulturellen Hintergrund kam sie erst durch den Umstand, dass ihre Vorfahren vor hundertfünfzig Jahren aus dem Kaukasus in die Türkei zwangsumgesiedelt worden sind. Türkisch und Deutsch sind ihre Muttersprachen und in Deutsch entfaltet sie sich nun künstlerisch, bringt jene poetische Programmmusik zum Erklingen, deren exklusiver Sound seinen Ursprung irgendwo in den Zwischenkulturellen haben mag. Gerhardt Csejka, Literaturwissenschaftler