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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es in Berlin zu einer ganzen Reihe spektakulärer Gerichtsprozesse (u. a. um den >Hauptmann von Köpenick< oder Maximilian Harden). Einzureihen in diese Großereignisse der Berliner Gerichtsgeschichte ist auch der 12. April 1910. An diesem Tag unterlag Karl May vor dem Amtsgericht Charlottenburg völlig überraschend mit seinem Privatklageverfahren gegen den Sensationsjournalisten Rudolf Lebius, der den Schriftsteller in einem Brief einen »geborenen Verbrecher« genannt hatte und deshalb wegen Beleidigung verklagt worden war. Der Freispruch von Lebius brachte im gesamten Kaiserreich eine Presselawine ins Rollen. Neben Berichten aus dem Reichstag und noch vor dem >Vermischten< prangten die effektvoll herausgemachten und fett gedruckten Schlagworte (»Entlarvung Karl Mays« oder »Karl May's >Räuberleben<«) in den Gazetten; von Nord nach Süd, von Ost nach West quer durch das Reichsgebiet wanderte die Nachricht, an der niemand vorbeisehen konnte.
Auch der >Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger< in der Heimatstadt des Schriftstellers berichtete von dem Ereignis in einer Weise, die Karl May zu juristischen Schritten veranlasste. Der Prozess vor dem Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal gegen den Redakteur Emil Horn wurde zu einem Spiegelbild jener Charlottenburger Auseinandersetzungen um das Ansehen Karl Mays.
Erneut ging es um die zahlreichen von Lebius gesammelten Vorwürfe von Kritikern wie Ansgar Pöllmann, die die These vertraten, dass der in seiner Jungerwachsenenzeit vorbestrafte Schriftsteller möglicherweise noch immer als kriminell zu betrachten sei, nur dass er jetzt mit dem Verfassen von unsittlichen Romanen, Plagiaten und Ähnlichem gegen das Gesetz verstoße. Im Kern ging es damit auch im vorliegend dokumentierten Strafverfahren gegen Emil Horn wieder um die Frage: War Karl May tatsächlich ein »geborener Verbrecher« und durfte man in diesem Sinne auch in Artikeln über ihn schreiben?