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Mit den Beiträgen in diesem Buch möchte ich dazu anregen, die Anthroposophie über ein"Jahrhundert nach ihrer Gründung neu zu denken. In den letzten 25 Jahren wurden verschiedene Versuche unternommen, ihr Phänomen zu verstehen und sie z. B. als gnostizistische Begleiterscheinung der Geschichte des Christentums darzustellen (so in Richard Geisens Dissertation Anthroposophie und Gnostizismus. Darstellung, Vergleich und theologische Kritik, Paderborn 1992) oder sie mithilfe der historisch-kritischen Methode in den allgemeinen geisteswissenschaftlich-kulturellen Kontext einzuordnen, etwa in Helmut Zanders zweibändigem Werk Anthroposophie in Deutschland, (Göttingen 2007) sowie in jüngster Zeit in Christian Clements kommentierter Ausgabe wichtiger Grundschriften Rudolf Steiners (Stuttgart 2013 - 2016; die Reihe soll fortgesetzt werden). Zu Geisen habe ich in meiner Schrift Anthroposophie im Gespräch Stellung genommen. Das Buch sollte Ende 1995 herauskommen. Da jedoch damals in der anthroposophischen Bewegung wenig Aussicht auf sachliche Diskussion bestand, entschloss ich mich, von einer Veröffentlichung des zur Druckreife gebrachten Buches abzusehen. Da es mir jedoch auch nach 21 Jahren unvermindert aktuell zu sein scheint, habe ich mich entschlossen, es ohne Veränderungen, für die ich keine Veranlassung sehe, mit dem damals verfassten Nachwort von Klaus J. Bracker und mit der damals geltenden Rechtschreibregelung als zugleich historisches Dokument und als Diskussionsgrundlage zum ersten Mal zu veröffentlichen.
Die beiden Beiträge in Teil 2 beschäftigen sich nicht mit dem gnostizistischen Schatten der Anthroposophie, sondern mit ihrem Wesen. Der Vortrag über das Wesen Anthroposophia versucht, anhand einer Betrachtung von Raffaels Sixtinischer Madonna deutlich zu machen, dass die Anthroposophie eine geistige Realität ist, aus der bedeutsame Inspirationen flossen, lange bevor Rudolf Steiner ihr eine begriffliche Gestalt gegeben hat. Zugleich ist er eine Bestätigung für Rudolf Steiners Hinweis, dass die Individualität des Raffael-Novalis in engem Zusammenhang mit dem Wesen der Anthroposophie zu sehen ist.
Anthroposophie kann aber auch helfen, literarische Schöpfungen wie z. B. Joanne K. Rowlings Weltbestseller über den Zauberlehrling Harry Potter noch einmal von einer ganz anderen Seite her tiefer zu verstehen und die Frage nach den Inspirationsquellen socher Werke neu zu stellen.