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Die Evokation einer Welt der Erinnerung über den Genuss eines in eine Tasse Tee getunkten Gebäcks - jene berühmte Madeleine-Episode in Marcel Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« - ist ein Schlüsselerlebnis, dem sich nach der Lektüre des großen Romans niemand mehr entziehen kann.
Marcel Proust war ein überaus eifriger Briefschreiber; nach seinem Rückzug aus der Gesellschaft in das korkgetäfelte Zimmer scheint die Korrespondenz einziges Bindeglied zwischen äußerer und innerer Welt zu sein. Sie ist gleichzeitig Ferment für die sich über mehr als eineinhalb Jahrzehnte erstreckende Genese seines opus magnum. Viele der dort so breit wie einfühlsam abgehandelten Themen finden sich als Keim in zum Teil wörtlich übernommenen Zitaten in der »Recherche« wieder.
Ein internationales Autorenteam hat in Aufsätzen die verschiedensten Kontexte der Korrespondenz beleuchtet: Man erfährt Neues über die Adressaten und ihre Beteiligung an der Publikations- und Rezeptionsgeschichte, über das literarische Leben in Paris, über Proust als Zeichner, über das Verhältnis zu seiner Mutter, seine Briefstilistik … Der Band bietet eine Chronik des Lebens, eine kontextuelle Kommentierung von mehr als 80 abgebildeten Originalbriefen und eine bibliografische Erfassung der Korrespondenzausgaben mit zahlreichen Abbildungen des Materials, das sämtlich aus der Bibliotheca Proustiana Reiner Speck stammt. Dies gibt dem Leser Gelegenheit, in das Geheimnis der Proust'schen Écriture einzudringen, die sich zwischen den Polen einer luziden Gedankenführung und einer von manchem Empfänger beklagten Unleserlichkeit bewegt. Anreden, Auslassungen, Andeutungen und Schwärzungen geben oder lüften Rätsel zum geheimnisumwitterten Privatleben Marcel Prousts.