Ob ein Anzeigeverhalten als denunziatorisch gewertet, das
heißt moralisch abgelehnt wird oder nicht, hängt im wesentlichen
davon ab, ob der Wertende die Norm, deren Verletzung
angezeigt wird, als legitim anerkennt oder nicht. Das gilt für
die Wahrnehmung der Zeitgenossen wie für die des historischen
Betrachters. Damit führt die Frage nach der Denunziation
ins Herz der Demokratie. Sie fragt nach einer Gestaltung
des menschlichen Zusammenlebens, deren strafbewehrte
Normen den Menschen nicht von außen auferlegt, sondern
von ihnen selbst aus Überzeugung getragen werden.