- Einleitung
THEORETISCHER TEIL
I. Günthers Vorschlag eines reflexionslogischen Modells
I.
- Einleitung
I.
- Isomorphie und ausgeschlossenes Drittes
I.
- Reflexionsüberschuss
I.
- Ich - Du - Es
I.
- Stellenwertlogik
I.
- Polykontexturalität und die Axiomatik des nicht-klassischen Systems
I.
- Systemtheorie
I.
- Ordnung und Umtausch - Kognition und Volition
I.
- Neues und Negativsprachen
II. Peirce - reflexionslogisch erweitert
II.
- Einleitung
II.
- Zweiwertige Zeichenmodelle und "das Dritte"
II.
- Dreiwertigkeit im Peirceschen Zeichenmodell
II.
- Die Kategorien und das Sein
II.
- Bewusstsein
II.
- Logik und Syllogistik
II.
- Metapher und Metonymie
II.
- Zeichen - Semiose
II.
- Schematische Darstellung der Zeichen und Semiosen
II.
- Abduktion
II.
- Die unabschließbare Semiose
LITERATURANALYTISCHER TEIL
III. Kafka - Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse und Das Urteil
III.
- Gesang oder Pfeifen?
III.
- Josefine oder Mäusevolk?
III.
- Systemtheoretische Analyse
III.
- Aspekte einer Interpretation auf der Grundlage einer dreiwertigen Zeichenlogik
III.
- Prozessualität und Dynamik
III.
- 1. Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse
III.
- 2. Das Urteil
III.
- 3. Erzählstrategien aus reflexionslogischer Perspektive
Literaturverzeichnis
Register
Auch Semiotik und Literaturwissenschaft sind mit dem Problem beschäftigt, Theorien zur Erklärung von Prozessen und zur Entstehung von Neuem zu entwickeln. Das klassische dualistische Erkenntnismodell hat sich in dieser Hinsicht als unzulänglich erwiesen. Nina Ort entwickelt nun einen überzeugenden Vorschlag, dieses um ein umfassenderes dreiwertiges Modell zu ergänzen, das eine angemessenere Darstellung von Prozessualität erlaubt. Sie entfaltet dieses durch die Kombination der 'nicht-Aristotelischen Logik' von Gotthard Günther mit der Semiotik von Charles S. Peirce zu einer reflexionslogischen Semiotik.
DAS DUALISTISCHE ERKENNTNISMODELL liefert den Rahmen für die Bearbeitung seins- und identitätslogischer Probleme. Es ist auf das Thema 'Sein' fixiert und kann daher nur behandeln, was als abgeschlossener Prozess vorliegt. Es kann weder Prozessualität konzeptionell fassen, noch das Auftreten von Neuem erklären, sondern nur auf 'Sein' reflexiv reagieren. Versuche, Prozessualität auf der Grundlage des dualistischen Erkenntnismodells darzustellen, münden daher notwendigerweise in Widersprüche und Paradoxien.
SOLLEN JEDOCH PROZESSE oder die Entwicklung von Neuem beschrieben werden, so wird eine Alternative zum klassischen Erkenntnismodell und der Axiomatik der klassischen Logik benötigt. Der hier im Anschluss an Günther und Peirce formulierte Vorschlag lautet: Wenn das klassische Erkenntnismodell als zu restringiert abgelehnt wird, dann muss dies noch nicht bedeuten, kein nicht-klassisches Erkenntnismodell konstruieren zu können.
EIN SOLCHES NICHT-KLASSISCHES, reflexionslogisches, und das heißt: mehrwertiges Erkenntnis- und Logikmodell hat Günther zu entwickeln begonnen. Es wird in der vorliegenden Arbeit mit der Semiotik von Peirce kompiliert. Dabei wird gezeigt, dass sich Peirce' System als logisch und erkenntnistheoretisch dreiwertiges, also reflexionslogisches System rekonstruieren lässt, und dass sich somit ein formal geschlossenes Modell einer Zeichentheorie formulieren lässt. Diese reflexionslogische Semiotik verwirft nicht das klassische Erkenntnismodell, sondern schließt es als limitierten Sonderfall ein, wodurch auch die klassische Axiomatik, insbesondere der Satz vom ausgeschlossenen Dritten, nur noch eingeschränkte Gültigkeit hat. Das der reflexionslogischen Semiotik zugrunde liegende Erkenntnis- und Logikmodell ist also umfangreicher als das klassische und stellt eine Erweiterung von diesem dar. Mit diesem Modell können Prozessualität und die Möglichkeit der Kreation von Neuem nicht nur dargestellt, sondern auch logisch begründet werden. Damit können nunmehr lebendige Systeme beschrieben werden, die nicht nur passiv reflektieren, sondern über einen prozessualen, evoluierenden Handlungsspielraum verfügen. Dieser Spielraum entsteht nicht in der objektiven, abgeschlossenen Realitätsthematik des klassischen 'Seins', sondern in der Multinegationalität als subjektivem Reflexionsprozess.
DIE REFLEXIONSLOGISCHE SEMIOTIK erschließt dort als innovatives Instrument neue Forschungsperspektiven, wo es nicht mehr gilt, 'Seiendes' zu identifizieren, sondern wo Multinegationalität Entwicklung erlaubt, auf welche die 'Wirklichkeit' keine Hinweise liefert. Somit liegt erstmals ein Instrumentarium vor, mit dem Semiose als semiotischer Prozess adäquat behandelt werden kann. Die reflexionslogische Semiotik eignet sich daher insbesondere zur Analyse solcher literarischer Texte, die selbst keine 'identifikatorischen' Erzählstrategien entfalten, sondern als subjektive Reflexionsprozesse aufgefasst werden können.