Die deutsche Reformdebatte, die im Bundestagswahlkampf einem
neuen Höhepunkt entgegensieht, wird mit einem erstaunlichen
Mangel an historischen Kenntnissen geführt. Was »Reformen«
wirklich sind, wo sie herkommen und wo sie hinführen, spielt in
der Diskussion nicht die geringste Rolle.
Ein Blick in die Geschichte zeigt: Die mythische Überhöhung der
Reformidee ist eine deutsche Besonderheit. Der Verdruss über eine
»neoliberale« Reformpolitik im Zeichen der Globalisierung ist zwar
in vielen Industrienationen verbreitet. Aber nur in Deutschland
verbindet sich mit der Hoffnung auf die lenkende Hand des Staates
die Forderung nach einer Großreform, die alle Probleme ein für
alle Mal löst.
Rechtzeitig vor der Bundestagswahl legt Ralph Bollmann eine kleine Geschichte der Reformen vom Mittelalter bis heute vor - von der Bildungsreform Karls des Großen über Luthers Kirchenreform und Bismarcks Sozialgesetzgebung bis zu Gerhard Schröders Agenda 2010. Indem er von der Vergangenheit erzählt, behandelt der Autor stets die Fragen der Gegenwart. In einer Zeit, in der die Debatte um die Modernisierung von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft noch längst kein Ende gefunden hat, ist sein Buch ein wichtiger Beitrag zum Verständnis von Chancen und Risiken einer umfassenden Reformpolitik.