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Es läßt sich heute kaum mehr nachvollziehen, wie sehr Charles Darwins Theorie über die Entstehung der Arten, als sie 1859 erschien, das christlich-abendländische Weltbild erschütterte. Mindestens so ketzerisch, wie die Behauptung, der Mensch stamme vorn Affen ab, war sein Versuch, auch die Seele systematischer Analyse zu unterziehen. An den Notizheften, die Darwin zwischen 1836 und 1842 geführt hat, läßt sich Schritt für Schritt verfolgen, wie sich seine Evolutionstheorie entwickelt hat. Sie sind nicht nur ein außerordentliches, in dieser Form einmaliges Material für die Wissenschaftsgeschichte, sie sind auch - was bislang viel zu wenig beachtet wurde - ein ungewöhnliches literarisches Dokument voll poetischer Bilder. Der Leser bekommt Einblick in die Werkstatt eines Genies, er wird mit einem Sturm von Ideen und Spekulationen, mit der Neugier und Beobachtungsschärfe Darwins konfrontiert. Die beiden hier zum ersten Mal auf deutsch publizierten Hefte M und N, die Darwin im Sommer 1838 niederschrieb, kreisen vor allem um menschliche und tierische Ausdrucksgebärden. Zu diesem Zweck befragte er, fern von London auf seinem Landsitz, nicht nur seinen Vater, der Arzt war, sondern alle möglichen Leute, von denen er sich hilfreiche Auskunft versprach. Hinzu kamen Lektüren und vor allem: eine nahezu schrankenlose Lust an der Spekulation. Die in den Notizbüchern entwickelten Gedanken wurden erst in Darwins 1872 erschienenem Alterswerk über den Ausdruck der Gemütsbewegungen bei Menschen und Tieren bekannt. Zwischen diesen beiden Arbeiten steht die Biographische Skizze eines Kindes, die im wesentlichen auf Beobachtungen Darwins an seinem ersten Kind beruht. Geschrieben 1839/40, blieb sie siebenunddreißig Jahre in der Schublade, bevor er sie 1877 überarbeitet und veröffentlicht hat. Sie sind Teil der bis heute anhaltenden, in letzter Zeit neu aufgeflammten Kontroverse über natürliche Auslese und andere Überlebensstrategien. Darwins Notizhefte enthalten die noch ungefilterten Aufzeichnungen eines Wegebereiters sowohl der Natur- wie der Seelenkunde. Sie sind nicht zuletzt Zeugnis eines geistigen Umbruchs: an die Stelle von Darwins einstiger Glaubensgewißheit war seine beinah besessen exakte Beobachtung und Lust an der Spekulation getreten.