Spätestens seit der Lean Production-Debatte zu Beginn der neunziger Jahre ist das Abnehmer-Zulieferer-Verhältnis verstärkt ins ökonomische Interesse gerückt. Die Abnehmer von Zulieferprodukten sehen sich seitdem einer zunehmenden Globalisierung des Wirtschaftsgeschehens gegenüber, die Nachfrage auf ihren Absatzmärkten stagniert teilweise, neue Wettbewerber treten auf den Plan, und in vielen Bereichen ist ein rasanter technischer Fortschritt zu registrieren. In der Folge dieser veränderten Rahmenbedingungen entstehen neue Formen der Arbeitsteilung zwischen den Abnehmern und ihren Zulieferern.
Wo stehen nun die Zulieferer des Handwerks in diesem Prozess der Neustrukturierung der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung und welche betrieblichen Spezifika weisen sie auf? Diesen und anderen Fragen ist das Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen im Rahmen eines breit angelegten Forschungsprojektes am Beispiel des niedersächsischen Metallhandwerks nachgegangen.
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes fußen im Wesentlichen auf intensiven Interviews bei handwerklichen Zulieferern des Metallgewerbes aus Niedersachsen und bei deren Abnehmerbetrieben.
Danach lautet die zentrale Botschaft, dass der handwerkliche Zulieferbetrieb gemeinhin nur wenig Gemeinsamkeiten mit dem typischen mittelständischen Zulieferbetrieb aus der Industrie hat, selbst wenn größere handwerkliche Einheiten in diese Richtung tendieren. Er agiert auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette, wobei sein Leistungsprogramm durchaus auf unterschiedlichen Stufen positioniert sein kann.
Die handwerklichen Zulieferer weisen firmenspezifische Vorteile auf, die einen gewissen Schutz vor der Marktmacht der Abnehmer bieten. Diese Vorteile lassen sich schwerpunktmäßig in vier Punkten zusammenfassen:
- Handwerkliche Zulieferer stellen variantenreiche Produkte her, die auf die jeweiligen Anwendererfordernisse in hohem Maße zugeschnitten sind.
- Handwerkliche Zulieferer bieten ein vielschichtiges Angebot von ergänzenden produktionsorientierten Dienstleistungen wie fertigungstechnische Beratungsleistungen, Lieferservice oder Lagerhaltung an.
- Durch ein sinnvolles Zusammenspiel von konventionellen, halbautomatisierten und vollautomatisierten Arbeitsmitteln können handwerkliche Zulieferer den flexiblen Anforderungen ihrer Abnehmer in hohem Maße Rechnung tragen. Die dadurch ermöglichte produktionswirtschaftliche Flexibilität erlaubt die kostengünstige Produktion von Einzelstücken und kleinen Serien.
- Handwerkliche Zulieferer zeichnen sich durch eine hohe Organisationsflexibilität aus. Ursächlich dafür sind flache Unternehmenshierarchien und qualifizierte Facharbeiter mit einem breiten Tätigkeitsspektrum.
Aus diesen Gründen weisen die handwerklichen Zulieferer meist eine gute Marktstellung auf. Das hat zur Folge, dass die Funktionsfähigkeit der relevanten Zuliefermärkte durch keine ausgeprägten Machtdisparitäten beeinträchtigt wird. Trotz Nachfragermachtpotenzial der Abnehmer finden sich nur wenige Ansatzpunkte für eine missbräuchliche Nutzung von Nachfragermacht gegenüber den handwerklichen Zulieferern. Vielmehr sind die Zulieferbeziehungen meist durch ein partnerschaftliches Miteinander der daran Beteiligten geprägt.
Allerdings sehen sich die handwerklichen Zulieferer auch einigen Herausforderungen teils hartnäckiger Natur gegenüber, die derzeit schon aktuell sind und sich wahrscheinlich in Zukunft noch verstärken werden. Hier sind fünf Punkte hervorzuheben:
- Aus einer allgemein verschärften Wettbewerbssituation ergeben sich ein fortlaufender Ertragsdruck und kleiner werdende Margen. Dies und die fehlende Finanzkraft der handwerklichen Zulieferer erschweren weitere Modernisierungsmaßnahmen in der Produktion, insbesondere hinsichtlich der Vernetzung von Konstruktion und Fertigung.
- Auch industrielle Zulieferer können heute eine große Typenvielfalt in wechselnden Losgrößen wirtschaftlich fertigen. Dem Handwerk gehen dadurch traditionelle Vorteile verloren.
- Für den Fertigungsprozess im Zulieferhandwerk ist der Einsatz von qualifizierten Facharbeitskräften dringend erforderlich. In Zukunft wird sich deren Bedeutung sogar noch erhöhen. Da eine Rekrutierung von Facharbeitern über den Arbeitsmarkt kaum möglich ist, ist der derzeitige Mangel an qualifizierten Auszubildenden umso gravierender.
- Der Eigenentwicklungsanteil an den Zulieferprodukten ist infolge fehlender Entwicklungskapazität relativ gering. Handwerkliche Zulieferer werden zukünftig verstärkt gefordert sein, die Entwicklungsbeiträge an den Zeichnungsvorlagen der Auftraggeber zu erhöhen.
- Häufig fehlt den handwerklichen Zulieferern die Marketingkompetenz, um einerseits innovative Ideen in anwendungsreife, marktfähige Produkte zu transformieren und auf den Markt zu bringen und andererseits die Abnehmerakquisition systematischer zu gestalten.
Vor diesem Hintergrund werden in der Studie einige Handlungsempfehlungen aufgestellt. Diese betreffen bspw. die weitere Anreicherung des eigenen Angebotes mit ergänzenden Dienstleistungen, die Steigerung der Attraktivität der Arbeitsplätze, die Bildung von zulieferinternen Kooperationsverbänden un die Internationalisierung von Beschaffungsaktivitäten. Bei der Realisierung sollten die Betriebe aber nicht allein gelassen werden. Vielmehr sind die überbetrieblichen Selbsthilfeeinrichtungen des Handwerks - dies sind die Handwerkskammern und die Fachverbände - aufgerufen, die handwerklichen Zulieferer tatkräftig zu unterstützen. Gleiches gilt für die staatlichen Institutionen.