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Zu Beginn der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer 1998 schien die 68er-Bewegung in der Bundesrepublik angekommen. Zehn Jahre später zeigt sich, dass dies ein Irrtum war. "1968" ist unvermutet wieder zu einem sperrigen Thema geworden, und es lohnt sich, den Ambivalenzen einer Bewegung auf den Grund zu gehen, die der Bundesrepublik der Gegenwart auf der einen Seite so überraschend nah geworden ist - und auf der anderen Seite so überraschend fremd.
Was bedeutet uns "1968" heute? Was verdanken wir der Protestbewegung der "68er"? Was haben wir ihr im Rückblick anzulasten? Zählt das Jahrfünft europäischer Geschichte zwischen den Pariser Studentenunruhen und dem Prager Frühling 1968 und der Ölkrise 1973 eher zur Krankengeschichte der Moderne oder zu ihrer Genesungsgeschichte?
Die verschiedenen Beiträge dieses Heftes stellen die unterschiedlichen Deutungsachsen zur Diskussion, in die sich das Phänomen der "Achtundsechziger"einordnen lässt. Sie konzentrieren sich auf die Ambivalenzen des Projekts "1968" und der mythischen Wirkung, die bis heute von ihm ausgeht: Der Generationsprotest der Studentenbewegung verwandelte sich unter der Hand vom radikalen Bürgerschreck zum Bezugspunkt einer ganzen Generation. Er proklamierte die Zerschlagung der bürgerlichen Gesellschaft und bewirkte doch ganz im Gegenteil ihre kulturelle Erneuerung. Er verstand sich als Befreiung vom Faschismus in den Köpfen der Eltern und war doch tief in der Gewalttradition des 20. Jahrhunderts verwurzelt.