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Im Sommer 1807 - das Erste Reich war am Ende, und Napoleon zog als Sieger in Frankfurt ein - stolperte Clemens Brentano in die extremste Liebesgeschichte seines Lebens hinein. Die Frau, die sich ihm, knapp siebzehn Jahre alt, "mit erschrecklicher Gewalt" an den Hals warf, hieß Auguste Bußmann und war die Nichte eines maßgeblichen Bankiers der Freien Reichsstadt. Aus dem skandalösen Abenteuer wurde die zweite Ehe des Dichters, aus der Ehe ein Kampf bis aufs Messer. Auguste Bußmann kommt in der Literaturgeschichte schlecht weg. Sie erscheint in den Biographien der Germanisten nur sporadisch, als eine exaltierte Hysterica, der arme Brentano als ihr wehrloses Opfer. Aber vielleicht hat sie die utopischen Entwürfe der Romantiker nur beim Wort genommen? Jedenfalls war sie entschlossen, im täglichen Leben zu verwirklichen, was jene in Gedichten und Romanen, Briefen und Blütenstaubfragmenten verkündet hatten; sie wollte nicht wahrhaben, daß zwischen Liebe und Literatur, Kunst und Leben, Utopie und bürgerlichem Alltag nach wie vor ein Abgrund lag. War sie am Ende, im Kreis der Arnims und der Savignys, der Grimms und Brentanos, die einzige wirkliche Romantikerin? Dann wäre die Geschichte der Selbstmörderin Auguste Bußmann ein exemplarischer Fall. Er hat zu ihrer Zeit viel Aufsehen erregt. Hundertachtzig Jahre später läßt er sich ziemlich genau, wenn auch nicht lückenlos, rekonstruieren. Das liegt an der Schreibwut der Zeitgenossen, ihrem sublimen Klatsch, der Rage, sich im vertrauten Freundeskreis, durch die tägliche Post, mitzuteilen, zu ereifern und zu unterhalten. So setzen sich Liebesbriefe und Haßausbrüche, Beschwörungen und Indiskretionen, bürokratische Verhandlungen und dichterische Zeugnisse zu einem dichten Mosaik aus gedruckten und ungedruckten Quellen zusammen. Die traurige Geschichte von Auguste Bußmann und Clemens Brentano läßt sich nur in einer Gestalt erzählen, die paradox anmutet: Sie ist ein romantischer Dokumentarroman. Hans Magnus Enzensberger