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Diese Studie geht der Frage nach, ob die gesellschaftliche Sensibilität gegenüber sexueller Gewalt zugenommen hat, und ob aus diesem Grund mehr Handlungen als früher beispielsweise als Vergewaltigung, sexuelle Nötigung oder sexueller Missbrauch verstanden werden. Dazu analysieren die Autoren ein repräsentatives Sample einschlägiger Gerichtsakten. Mit Hilfe einer zeitvergleichenden, qualitative und quantitative Methoden verbindenden Inhaltsanalyse werden die Merkmale ermittelt, die eine Handlung in den Augen von Richterinnen und Richtern als sexuelle Gewalt und strafwürdig erscheinen lassen.
Die Ergebnisse der Analyse überraschen: In der ersten Hälfte der 1980-er Jahre war die gesellschaftliche Sensibilität gegenüber sexueller Gewalt hoch, in der zweiten Hälfte dagegen zeichnet sich eine Desensibilisierung ab. Ab 1991 steigt die Sensibilität der Gesellschaft wieder, es werden wieder mehr Handlungen als sexuelle Gewalt sanktioniert. Die Schwankungen der Sensibilität werden im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Intensität, Verbreitung und Resonanz der Strafkritik gesehen.
Eine differenzierte Untersuchung von zentralen Merkmalen, die Definitionen leiten, zeigt, dass es sich dabei um mittelständische Lebensorientierungen handelt, die für richterliche Entscheidungen Geltung zurückgewinnen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Handlungen von Personen mit niedrigem Beschäftigungsstatus und "ungeregelter Lebensführung" als sexuelle Gewalt angesehen werden, ist nach 1991 überdurchschnittlich hoch. Die Ergebnisse der Untersuchung sprechen insgesamt aber gegen die Annahme, die Sensibilität gegenüber sexueller Gewalt sei generell gestiegen. Die gegenwärtige richterliche Praxis lässt die früher bestehende Zuschreibungsrelevanz von Drogenkonsum, Alter, Nationalität oder Beziehungsgrad als Resultat von Vorurteilen erscheinen.