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Die Aussage, die in diesem Buch getroffen wird, ist eigentlich ganz einfach: Die Zukunft der Weltgesellschaft ist durch drei historische Zäsuren bestimmt. In der ersten Zäsur, dem griechischen Mirakel, werden die Beziehungen der Menschen untereinander, gemeinhin die Gesellschaft, auf eine rationale Basis gestellt. In der zweiten Zäsur, dem europäischen Mirakel, werden die Beziehungen der Menschen zur Natur auf eine rationale Basis gestellt. In der dritten Zäsur, in der Gesellschaft und Natur zu einem Hybrid verschmelzen, werden die Beziehungen der Menschen zu diesem Hybrid auf eine rationale Basis gestellt. Die Zäsuren selbst sind alles andere als einfach. Und sie verlaufen nicht friktionslos. Im Gegenteil. In Auseinandersetzung mit der Gesellschaftstheorie Bruno Latours werden Genese und Verlauf dieser drei Zäsuren nachgezeichnet.
Zweifellos liefert Bruno Latour mit seinem Begriffspaar der Vermittlungs- und Reinigungsarbeit eines der überzeugendsten sozialwissenschaftlichen Instrumente zur Analyse der Gegenwartsprobleme unserer durch Technologie geprägten Weltgesellschaft. Und zweifellos sind diese Probleme eine Spätfolge des Verwissenschaftlichungsschubs der europäischen Nachrenaissance. Doch das "europäische" hatte im "griechischen Mirakel" einen Vorläufer. Es vollendete nur, was dort seinen Anfang nahm. Der abendländische "Sündenfall", der Anstoß zur wissenschaftlichen Bemächtigung und Durchdringung der Welt erfolgte bereits im Griechenland der Antike. Und er hatte seinen Ursprung nicht im Stoffwechselprozess des Menschen mit der Natur, in der Auseinandersetzung mit ihr, sondern mit seinesgleichen. Er entsprang einem Sozialverhältnis, wie es kein Soziologe sich "reiner" zu wünschen vermag. Diesen Aspekt übersieht Bruno Latour. Und darum erzählt er uns nur die halbe Wahrheit. Mit seiner Bezugnahme auf Boyle und Hobbes beantwortet er im Prinzip zwar die von ihm selbst gar nicht gestellte Frage "Why was England first?", aber keineswegs beantwortet er die Frage nach dem genuinen Ursprung abendländischer Vernunft, der Gebärerin unserer zeitgenössischen Technologie. Im vorliegenden Essay wird eine doppelgleisige Argumentation auf zwei ganz unterschiedlichen Ebenen entfaltet: auf der sozialhistorischen Ebene der realen Entwicklung, die die abendländische Wissenschaft genommen hat, und zugleich in Auseinandersetzung mit den sozialanthropologischen Deutungen dieser Entwicklung durch Bruno Latour.