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Die neoliberale Wirtschaftspolitik versagt seit einem Vierteljahrhundert bei ihrer wichtigsten Aufgabe, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Trotzdem gilt der Neoliberalismus nach wie vor als die allein erfolgversprechende Orientierung der Wirtschaftspolitik. Diese erstaunliche Resistenz gegenüber wirtschaftlichen Fakten ist nur zu erklären mit einem festgefügten Vorverständnis, dessen Wurzeln jenseits wissenschaftlicher Ratio liegen.
Alexander Rüstow dringt in einer tiefgreifenden geistesgeschichtlichen Analyse zum Ursprung wirtschaftsliberaler Heilsgewissheit vor. Die vor allem durch stoische Einflüsse auf die christliche Theologie und die neue Wissenschaft von der Ökonomie überlieferte Vorstellung einer vorgegebenen natürlichen Ordnung führte dazu, deren Ergebnisse für sakrosankt zu halten und zu glauben, Eingriffe in diese Ordnung könnten nur negative Folgen zeitigen. Laisser-Faire gilt deshalb als die alleinige politische Option. Entsprechend sind wirtschaftliche Krisen und soziales Elend als der »göttlichen Planwirtschaft« inhärent hinzunehmen.
Auch die Aufklärung hat es nicht vermocht, den Glauben an die Existenz einer gottgewollten Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft zu überwinden. Alle großen Ökonomen des 18. und 19. Jahrhunderts blieben dieser Vorstellung verhaftet. Ihr Interesse war darauf gerichtet, die in dieser Ordnung geltenden Funktionszusammenhänge zu ergründen. Deshalb stellen sie das Gleichgewicht in den Mittelpunkt aller ihrer Überlegungen. Und deshalb interpretieren und rechtfertigen sie auch alle auftretenden Probleme als notwendige Durchgangsstadien des Weges zum Gleichgewicht. Wenn Max Weber den »Geist des Kapitalismus« als säkularisierte protestantische Ethik entdeckte, so hat Rüstow den »Geist des Liberalismus« als Säkularisierung eines deistisch-stoischen Harmonieglaubens nachgewiesen.
Die Herausgeber zeigen in ihrem eigenen Beitrag, dass auch der moderne Neoliberalismus dieser Harmonievorstellung verhaftet ist. Der dogmatische Glaube an den neoklassischen Gleichgewichtsautomatismus beherrscht die Problemwahrnehmung, die Analysen und die wirtschaftspolitischen Empfehlungen. Er liefert vermeintlich auch die Rechtfertigung für die liberalistische Aversion gegenüber dem Staat. An Hand verschiedener Politikfelder wird demonstriert, wie Gleichgewichtsverheißung und Laisser-Faire-Dogmatismus wirtschaftspolitische Entscheidungen prägen. Dem neoklassischen Liberalismus ist es nicht gelungen, seine subtheologische Prämisse, die Existenz einer vorgegebenen harmonischen Ordnung, auf die das System Wirtschaft selbsttätig zutreibt, nachzuweisen. Zu bieten hat er nur Verifizierungen durch Theoriestücke und Modelle, in denen mögliche Quellen für Instabilitäten von vornherein wegdefiniert sind. Und an erkenntnislogisch unabdingbaren Falsifizierungsversuchen hat die Gleichgewichtsökonomie ohnehin nie Interesse gezeigt.
So blockiert der neoklassische Liberalismus den Zugang zu einer problemadäquaten Wirtschaftstheorie und einer wirksamen Wirtschaftspolitik. Deshalb kann er die Risiken dynamischer Entwicklungsprozesse in komplexen arbeitsteiligen Geldwirtschaften weder erfassen noch vermeiden. Und deshalb kann er auch die im offenen System Wirtschaft liegenden Chancen, die von Liberalen so sehr beschworen werden, nicht ausschöpfen.
Kommentare »Ein wichtiges Buch, weil es erklärt, warum die Ökonomie in den letzten Jahrzehnten die inhärente Instabilität des Wirtschaftsprozesses aus ihrem Gesichtskreis verbannt hat. Die keynesianische Fragestellung wurde durch den Glauben an die Selbstheilungskräfte verdrängt. Die Analyse des Liberalen Rüstow aus den 40er Jahren liefert das geistesgeschichtliche Fundament für die Kritik am Neoliberalismus.«
Professor Jürgen Kromphardt
TU-Berlin, Mitglied des Sachverständigenrats
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
»Seit zwei Jahrzehnten gibt es in Politik und Wirtschaftswissenschaften einen Mainstream, der Deregulierung und Flexibilisierung als aktive Wirtschaftspolitik und »niedrige Staats- und Sozialleistungsquoten als Benchmark für ökonomische Leistungsfähigkeit« erklärt, um gleichzeitig den Ordnungsfaktor Staat zum Störfaktor umzudeklarieren. Hier nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass Alexander Rüstow, einer der Väter der sozialen Marktwirtschaft, schon 1932 mit einem Vortrag »Freie Wirtschaft starker Staat« Aufsehen erregte, kann vielleicht das neoliberale Dogma wenigstens ankratzen. Vor allem »Modernisierern« und »Verschlankungsstrategen« sei dieses Buch empfohlen.«
Dr. Herbert Ehrenberg
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung von 1976-1982
»Die Kritik Rüstows wird von den Herausgebern folgerichtig auf den »neuen« Neoliberalismus übertragen. Die vermeintlichen ökonomischen Sachzwänge erweisen sich als ideologisch. Ihre wirtschaftspolitische Umsetzung behindert den evolutiven Korridor in die transindustrielle Gesellschaft. Gezeigt wird, dass auch die »Dritten Wege« längst von neoliberalen Denkmustern geprägt sind. Erst die Abkehr vom Axiom einer vorgegebenen harmonischen Ordnung kann wieder Raum schaffen für den Primat der Politik, die sich allerdings innovativen und zeitbewussten Strategien öffnen muss.«
Professor Carl Böhret
Lehrstuhl für Politische Wissenschaft,
Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer
Aus dem Inhalt Das Versagen des Wirtschaftsliberalismus
Alexander Rüstow
Liberalismus und Wirtschaft
Wirtschaftstheologie Pythagoras, Heraklit, Stoa
Wirtschaftstheologie bei den Physiokraten
Wirtschaftstheologie bei Adam Smith
Wirtschaftstheologie bei den Nachfolgern
Zusammenfassung
Fehler Passivismus
Glückseligkeitsdusel
Unbedingtheitsaberglaube
Soziologieblindheit
Übersehene institutionelle Randbedingungen
Folgen Behinderungskonkurrenz statt Leistungskonkurrenz
Megalomanie und Elephantiasis der Wirtschaft
Vermassung der Gesellschaft
Kollektivismus
Pluralistische Entartung des Staates
Fazit
Folgerung: Erneuerung des Liberalismus
Anhänge:
Religiös begründetes Laisser-faire im Islam
Stoizismus und Epikureismus bei Adam Smith
Laissez faire! Laissez passer!
Außenhandel gottgewollt
Adam Smith gegen die Subventionsgier der Unternehmer
Zur Geschichte der Begriffspopularität zwischen Leistungskonkurrenz und Behinderungskonkurrenz
Das neoliberale Projekt
von Frank P. Maier-Rigaud und Gerhard Maier-Rigaud
Vorbemerkung: Erwartungen und Zweifel
Ökonomisierung der Gesellschaft Orientierungen der Wirtschaftspolitik.
Wettbewerb der Nationen?
Sozialkosten des Marktdogmas
Geistesgeschichtliche Quellen
Philosophie und Religion
Säkularisierung des Harmonieglaubens
Liberale Rechtfertigungslehre
Erkenntnisinteresse und Komplexitätsreduktion Endzeitökonomie
Verifikation
Abstraktionen
Theoriemuster und Politikfolgen Rollenverteilung
Aktionismus
Diskriminierung
Akteure im neoklassisch-liberalen Modell Wirte statt Unternehmer
Konsumentensouveränität und Präferenzenbildung
Staat als Mitspieler
Grenzen struktureller Selbststeuerung Der Freiburger Imperativ
Spielregeln für den Leistungswettbewerb
Externalitäten
Notwendigkeit der Niveausteuerung Exogene Geldversorgung
Wechselbäder durch Wechselkurse
Makroökonomische Instabilität
Gesellschaftspolitische Rezeptionen Libertarians
Kommunitaristen
Neoliberalismus von links
Politische Ökonomie der dritten Wege Ökonomie und Ideologie
Theorie des dritten Weges?
Primat der Politik
Schlussbemerkung: Das Versagen des neoklassischen Liberalismus
Alexander Rüstow: Leben und Werk
Veröffentlichungen von Alexander Rüstow
Personenregister
Sachregister