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Eine Bombe explodiert in einem Universitätscafe. Neunzehn Studenten sterben. Ein Dreijähriger überlebt das Attentat, geschützt in einem >leeren Raum<. Die Eltern eines achtzehnjährigen Opfers bringen ihren geliebten Sohn nach Hause, in einer Urne - und das verwaiste dreijährige Kind, lebend.
Mit dem Tod des Einen beginnt das Leben des Anderen.
Ein Leben im Schatten des unbekannten und doch vertraut werdenden `Bruders", im leeren Raum seiner Hinterlassenschaft. Alle Gefühle, Gedanken und Erwartungen seiner neuen Eltern gelten doch dem anderen. Wer ist er also? Was ist seine Identität?
Der Roman beschreibt in eindrucksvollen Details die Geschichte der Phantomfamilie nach dem Verlust des Sohnes, die öffentlichen Gedächtnisfeiern, die persönliche Trauer von Vater und Mutter, die Begräbnisriten, den fast täglichen Dialog zwischen altem und neuem Sohn, ihrem Verhältnis zum väterlichen Herkunftsort, dem Eintritt der ehemaligen Geliebten des alten Sohns und nunmehrigen Geliebten des neuen Sohns in die Geschichte und ihr tragischer Ausgang.
Die Autorin wird nicht müde, die ungezählten Facetten einer nach allen Seiten offenen Chronologie von möglichen Ereignissen nachzuzeichnen.
Welchen Sinn hat etwa der jahrtausendalte Diskurs über Herkunft und Wurzeln - der Banyan-Baum wird hier zum bedeutenden Symbol - wenn man im Zeitalter der Bomben von einem Moment zum anderen zerfetzt und verstreut werden kann und die Geschichten über den Tod hinaus sich ins Unendliche ausweiten müssen, wollen sie nicht selbst in einem weiteren Tod enden. >Der leere Raum< ist nur eine der möglichen Formen des Überlebens von Überlebenden unter dem unaufhörlichen Zwang der Erinnerung an Vergangenes und der radikalen Öffnung zur Gegenwart und Zukunft hin.
Im Zeitalter der Bomben sind alle Maßstäbe verrückt, sind Chronologien aufgehoben und ein leerer Raum wird geschaffen. Von dort aus führen Wege irgendwohin und nirgendwohin.
Die Ereignisse haben nicht mehr ihren Anfang, ihre Mitte und ihr Ende.
Nach der Bombe kommt erst der Tod, dann das Leben.
Zuerst das Spiel, dann die Regeln.
Die Toten vermischen sich mit den Lebenden.
Vergesst das Spiel um Wurzeln und Identität, Namen und Rassen.
Die Nachfahren der Bombe haben andere Bezüge. Ihre Geschichten enden nie.
Nicht der Autor, sondern der Leser und Zuhörer ist für die Geschichte und ihren Fortgang verantwortlich. Wenn sich die zerfetzten Teile nicht mehr zu einem ganzen Menschen zusammenfügen, wird schließlich das Universum bröckelig.
Geetanjali Shree bedient sich ihrer reichen Sprachkunst, um die ungeheure Spannung zwischen dem unschuldigen Augenblick vor der Explosion der Bombe und dem alles verändernden Augenblick danach in die Zerreissprobe zwischen Alltagssprache und poetischer Intuition einzubringen. Jeder Satz scheint wie eine Pfote, von der man nicht weiß, ob sie nur berühren und streicheln oder kratzen und zuschlagen wird. Diese Sprache überlässt sich in einem Moment dem Alltag in
kurzen sachlichen, oft stakkato-artigen Sätzen, gelegentlich hechelt sie in langen, nicht enden wollenden und interpunktionslosen Passagen mitten in dramatische Ereignisse hinein, und überlässt sich im nächsten Augenblick dem Kosmos und seinen Geheimnissen. Sie ist immer auf der Suche nach der Intensität im Hier-und-Jetzt, aber auch stets bereit zum Sprung in den Abgrund und die Unendlichkeit.
Geetanjali Shrees Roman >Der Leere Raum< stellt hergebrachte Denkgewohnheiten in Frage. Ein coming-of-age Roman im Zeitalter des Terrorismus. Ein hintergründiger und wichtiger, weil verstörender Roman.