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»Eine Kur ist eine lange und zumeist auch langweilige Zeit. So hatte man es ihr erklärt, als sie sich zu der Reise entschlossen hatte. Elsa aber dachte an die Kuren, zu denen die vornehmen Damen zu Beginn des Jahrhunderts zu reisen beliebten.« Die Stille des Kuraufenthalts, auf den Susanne Scholl ihre Protagonistin Elsa schickt, wird sie nachhaltiger mit der Vergangenheit konfrontieren, als diese Zeilen es erwarten lassen. Denn für die dreiwöchige Ruhephase hat Elsa sich eine dicke Mappe mit vergilbten Blättern mitgenommen, denen sie sich endlich, unbeeinträchtigt von Alltagsablenkungen, widmen will: Es sind die authentischen Briefe ihres nach England emigrierten Vaters an seine in Wien verbliebenen Eltern und die Antwortbriefe des Großvaters, die Elsa in die Jahre des Nationalsozialismus zurückversetzen und bald einen regelrechten Sog entwickeln, der sie in das unbekannte Leben ihrer Großeltern führt.In der berührenden Korrespondenz zwischen Vater und Großvater erschließt sich die ganze Tragik der Familiengeschichte: detaillierte Schilderungen von den Anfängen in der neuen Heimat London und den wachsenden Schikanen für die Familie in Wien lassen die verzweifelten Versuche der Großeltern aufleben, die Ausreise doch noch zu Stande zu bringen, und protokollieren die brutale Enteignung der Familienvilla durch einen »Blutordensträger«. Dessen Briefe aus der Haft im Ständestaat, Ironie der Geschichte, wird der überlebende Vater nach seiner Heimkehr in der restituierten Villa finden. Elsas Reflexionen und Assoziationen bei der Lektüre der Briefe schaffen die Verbindung zum Hier und Heute, zum immer noch gegenwärtigen Antisemitismus, zum Krieg in der Nachbarschaft und seinen Bildern im Fernsehen, zu Fremdenfeindlichkeit und zu der Frage, wie sie selbst mit einem vergleichbaren Schicksal umgegangen wäre.