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"Ein Bann scheint gebrochen zu sein: Alle reden von der gezielten Auslöschung der deutschen Städte durch die anglo-amerikanischen Luftflotten und erregen sich über die unermeßlichen Leiden der Vertriebenen, ein anonymer Bericht über die Vergewaltigungen durch die Rote Armee konnte zum literarischen Ereignis werden und ein Roman aus den fünfziger Jahren über die gelungene Flucht aus der russischen Kriegsgefangenschaft wurde zum zweiten Mal verfilmt. Die Deutschen, die gerade begonnen hatten zu begreifen, daß mit den Begriffen Auschwitz oder Treblinka das Ausmaß der Schuld nur unzureichend beschrieben war und daß man in Zukunft die Torturen der Zwangsarbeiter und die Verfolgung der Juden in der Heimat, die Mordtaten der Polizeibataillone und die Verbrechen der Wehrmacht in den besetzten Gebieten dazu addieren mußte, verwandeln sich mit einem Mal in ein Volk von Opfern. Die Gründe für diesen veränderten Blick auf die Nazizeit in der Tagespolitik zu suchen führt in die Irre. [.] Die antisemitische Grundierung vieler Beiträge verweist darauf, daß die Behauptung von den Juden als Tätervolk und die Zweifel an der Singularität des Holocaust, die im sogenannten "Historikerstreit" Mitte der achtziger Jahre noch zurückgewiesen werden konnten, nun obsiegt haben. Die geschichtspolitische Wende, die darin zum Ausdruck kommt, ist der aktuellste Beleg für eine Tiefenströmung, die das Schicksal der Bundesrepublik von Beginn an beeinflußt hat. Ihre Motorik wird nicht gesteuert von der Anerkennung dessen, was gewesen ist, also vom Realitätsprinzip, sondern wird von der Obsession bestimmt, sich eine Vergangenheit zu suchen, die passend ist." Aus der Einleitung
Eine provokante Untersuchung zum deutschen Seelenfrieden. Zum ersten Mal seit dem Ende der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" äußert sich Hannes Heer über Hintergründe der Kampagne gegen die Schau, deren Leiter er war. Sie hatte die Legende von der sauberen Wehrmacht in Frage gestellt, und der Schock war entsprechend groß. Die Versuche, die Ausstellung zu diffamieren, waren nach vier Jahren erfolgreich. Sie wurde zurückgezogen und durch eine neue, völlig entschärfte Version ersetzt. Der Krieg und seine Verbrechen sind darin wieder zum Werk einiger Spezialisten geworden. Sie zeigt Taten ohne Täter.
Der Vorgang vom Verschwinden der Täter begann indessen früher. Hannes Heer findet bezeichnende Indizien in Aufzeichnungen und Nachkriegserinnerungen von Soldaten, im Wirken der Zensur bei den Kriegsromanen Bölls und Remarques, in Ernst Jüngers Umdeutung des eigenen Tagebuchs von 1942. Inzwischen sind auch Nazi-Argumente kein Tabu mehr, wenn von Historikern den Juden die Schuld am eigenen Tod gegeben wird, sie von Politikern schlicht zum Tätervolk erklärt werden oder, wie bei Jörg Friedrich in "Der Brand", die Deutschen im Bombenkrieg nichts als Opfer sind.