Die vorliegende Publikation greift ein Thema auf, das sowohl theoretisch-konzeptionell als auch empirisch und praktisch-politisch von hoher Relevanz ist: Es geht um die Frage, ob und in welcher Form unter den Bedingungen der Globalisierung politisch Einfluss auf das Innovationsgeschehen genommen werden kann. Damit wird eine zentrale Dimension des aktuellen Globalisierungsprozesses und der darauf bezogenen wissenschaftlichen und politischen Debatte bearbeitet.
Innovations- und Technologiepolitik findet traditionell vornehmlich auf nationaler Ebene statt; in föderalen Systemen treten zudem regionale staatliche Instanzen mit innovations- und technologiepolitischem Gestaltungsanspruch auf. Demgegenüber sind etwa multinationale Unternehmen mit weltweit verteilten Kompetenzzentren, internationale strategische Allianzen oder grenzüberschreitende Netzwerke Beispiele für global und quer zu den regionalen und nationalen Innovationssystemen agierende ökonomische Akteure. Sie scheinen der Reichweite nationalstaatlicher Politik in vielerlei Hinsicht entzogen zu sein. Aus der Perspektive dieser nationalstaatlichen Politik selbst stellt sich die Situation als zunehmender Wettbewerbsdruck in einem innovationspolitischen "Wettlauf" bei der Nutzung von Technologiepotenzialen und der Ansiedlung von international mobilen Akteuren dar.
Die Wirksamkeit traditioneller Politikinstrumente - etwa im Hinblick auf klassische nationalstaatliche Regulierungen oder die Gestaltungseffektivität und -effizienz staatlicher FuE-Förderung - wird dadurch fragwürdig. Insgesamt zeigt sich somit eine Asymmetrie zwischen privaten Innovationsaktivitäten und staatlicher Innovationspolitik.
Um dem Wunsch nach einer politischen Gestaltung der globalisierten Innovationsdynamik dennoch Geltung zu verleihen, sind transnationale Strategien und Maßnahmen der Innovations- und Technologiepolitik erforderlich. Solche Konzepte einer international abgestimmten oder gar transnational institutionalisierten politischen Gestaltung von technologischen und sozioökonomischen Innovationsprozessen sind allerdings bisher erst in Ansätzen entwickelt. In der vorliegenden Arbeit werden vor diesem Hintergrund zwei Fragenkomplexe untersucht:
- Wie ist transnationale Politik institutionell gestaltet? Welche Rolle spielt dabei die Ebene des Nationalstaates?
- Besitzt transnationale Politik eine Relevanz? Welche Wirkungen gehen von ihr bei der Lösung grenzüberschreitender Probleme und Aufgaben aus?
Dabei werden drei wissenschaftliche Diskurse von hoher praktischer Bedeutung berührt: 1) Die Innovationsökonomie und das Konzept der nationalen Innovationssysteme (NIS); 2) Politikwissenschaftliche Fragestellungen der politischen Steuerung und Governance in Mehrebenensystemen. 3) Die soziologische Globalisierungsdebatte und das Konzept der Transnationalisierung.
Der Autor beschränkt sich in seiner Analyse dieser Themen- und Problemkomplexe nicht auf theoretische Erörterungen, sondern betrachtet zwei komplexe empirische Fälle transnationaler politischer Gestaltung von Innovationsprozessen. Dadurch wird zugleich praxisorientierte Politikevaluation mit sozialwissenschaftlicher Forschung konstruktiv verknüpft. 1) Zum Themenbereich der Forschungs- und Technologiepolitik wird das europäische Netzwerk NEXUS (Network of Excellence in Multifunctional Microsystems) betrachtet, das zur Zielsetzung hat, auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik (MST) die Zusammenarbeit innerhalb Europas zu verbessern. 2) Die zweite Fallstudie berührt Fragen der EU-Binnenmarktpolitik. Im Einzelnen geht es um die Regulierung durch zwei EU-Richtlinien, die dazu dienen, die Zulassung von Medizintechnikprodukten europaweit auf eine Grundlage einheitlicher Voraussetzungen und Verfahren zu stellen.
Durch seine theoretischen und empirischen Analysen kommt der Autor zu dem Schluss, dass es durch transnationale Politik grundsätzlich möglich ist, einen Einfluss auf das technologische und sozioökonomische Innovationsgeschehen zu nehmen - selbst unter den aktuellen Bedingungen von Internationalisierung und Globalisierung. Dabei ergeben sich Innovationswirkungen nicht nur durch eine Deregulierung und den Abbau institutioneller Barrieren zwischen einzelnen Staaten, sondern gerade auch durch die aktive politische Gestaltung innovationsrelevanter institutioneller Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse. Die politische Gestaltung erfolgt allerdings nicht über einen einfachen mechanistischen Zusammenhang. Sie kann innerhalb "Transnationaler Innovationssysteme" (TIS) vielmehr über die verschiedensten institutionellen Formen und den unterschiedlichen damit verbundenen Steuerungs- und Wirkungsmechanismen stattfinden. Hierbei spielen sowohl Aspekte hierarchisch angelegter Steuerung als auch dezentrale Elemente der Moderation und der Selbststeuerung eine Rolle. Für die Realisierung transnationaler Innovationspolitik bleiben dabei die Rahmenbedingungen des Nationalstaates und die Kapazitäten nationaler Politik von Bedeutung.
Damit dies gelingt, muss sich - dem Plädoyer des Autors zufolge -nationale Politik in diesen transnationalen Zusammenhängen jedoch neu organisieren. Dies betrifft insbesondere die Schnittstellen zwischen den einzelnen Ebenen und Teilsystemen transnationaler Politik innerhalb eines "Transnationalen Innovationssystems".
Dieses Konzept des "Transnationalen Innovationssystems" - anknüpfend an die Diskussion zu Nationalen Innovationssystemen - stellt zugleich den theoretischen Beitrag dieser Arbeit dar. Durch diesen Ansatz kann den Bedingungen und Herausforderungen der Globalisierung im Vergleich zu etablierten Sichtweisen zu Innovationssystemen besser entsprochen und Aspekte der politischen Gestaltung können angemessener berücksichtigt werden. Eingegangen wird dabei nicht nur auf die Strukturkomponenten eines TIS. Vor dem Hintergrund der Leitfragen dieser Arbeit wird insbesondere auch die Rolle der Politik bearbeitet und gefragt, wie sich die Transnationalisierung von Politik in einem "Transnationalen Innovationssystem" institutionell gestaltet und mit welchen Wirkungen und Wirkungszusammenhängen sie verbunden ist.