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Die Fragestellung dieses Bandes ist sicherlich mehr als provokativ. So wurde sie auch im Rahmen einer Interviewstudie von älteren Menschen als besonders erzählanregend hinsichtlich der eigenen Krankengeschichte empfunden.
Während Medizin und Psychologie Krankheit vor allem "erklären" wollen, um handeln zu können, geht es der Pädagogik und den ihr verwandten Disziplinen vielmehr um das "Verstehen" von Krankheit in lebensgeschichtlichen Zusammenhängen. Die unterschiedliche Zielrichtung von "Erklären" und "Verstehen" beschrieb schon Dilthey (1894): "Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir". Nähert man sich nun vor dem Hintergrund dieser Worte dem Krankheitsphänomen, so kann eine angemessene Beschäftigung mit diesem nur interdisziplinär erfolgen. Erst dann wird Krankheit nicht mehr nur "erklärt", sondern auch in ihrer Bedeutung für das von ihr betroffene Subjekt und im Hinblick auf seine lebensgeschichtlichen Bezüge "verstanden".
In Anlehnung an Johann Heinrich Pestalozzis Bildungsgedanken, dass "das Leben bildet" (Pestalozzi 1826), entwickelt die Autorin ein Verständnis von Krankheit als Lebens- und Bildungsereignis. Gewissermassen als Ergänzung und Weiterführung des wissenschaftlichen Diskurses um Gesundheit und Krankheit geht es in diesem Buch darum, hintergründig ablaufende Bildungsprozesse zu beleuchten: Krankheit soll in der menschlichen Reflexion eingefangen und ihre "Lebensbildungsmomente" erforscht werden.