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Schiller, der sich zeit seines Lebens mit Geldproblemen herumschlagen mußte,
wäre heute reich. Er hätte die rasanten Drehbücher geschrieben, an denen es
dem deutschen Film fehlt; vielleicht wäre er - wer weiß - sogar in Hollywood
gelandet. Denn er hatte einen untrüglichen Sinn für gute Stoffe, ein
dramaturgisches Können von hohen Graden und keine Angst vor sensationellen
Geschichten.
Es waren vor allem spannende Kriminalfälle, die ihn interessierten. Nicht
nur in seinen Stücken, auch in seiner Prosa spielen sie eine große Rolle.
Kein Wunder, daß er zu der wichtigsten zeitgenössischen Quelle für solche
Affären griff: dem berühmten Pitaval des gleichnamigen Verfassers. Eine
Auswahl davon hat er 1792-1795 getroffen, herausgegeben und mit einer
Vorrede versehen. Dieses Werk ist seit langem nicht mehr greifbar. Hier
werden die besten dieser Geschichten in einer sorgfältigen Edition neu
vorgelegt, zusammen mit Schillers eigenen Erzählungen, die dem
Kriminal-Genre zuzurechnen sind.
Nicht als hätte Schiller Lust gehabt, mit der Trivialliteratur der Zeit zu
konkurrieren: sein Interesse galt nämlich vor allem der politischen
Dimension der Fälle, die er aufgriff. Alle diese Texte sind aufgeladen von
einer heftigen Kritik an der Justiz seiner Zeit. "Beispiele von der
Unzuverlässigkeit der Aussagen welche durch die Tortur erhalten werden": ein
solcher Titel zeigt, daß die Probleme, die in Schillers Pitaval verhandelt
werden, an Aktualität leider blutwenig verloren haben.