Eine Hamburger Autorin und Buchkünstlerin, Gründerin der exquisiten
Raamin-Presse, hat, wie sie selber sagt, ihr bisheriges Leben auf den Kopf
gestellt, um den Spuren eines Unbekannten zu folgen. Der Anti-Held ihrer
Recherche ist ein deutsch-französischer Jude, der 1997 mit 91 Jahren
gestorben ist. Auch seine Familie lebt nicht mehr. Ein paar Fotos, ein paar
Akten, auf die sie durch Zufall gestoßen ist, sind der Anfang. Sie befragt
zweihundert Zeugen, wühlt sich durch mehr als zweitausend Seiten
Gerichtsakten, schreibt zahllose Briefe und kämpft mit der Bürokratie von
sechs Ländern - alles, um das Schicksal eines Mannes zu erforschen, der sie
fasziniert und vor viele Rätsel stellt.
Jakob Birnbaum wechselte Länder und Identitäten, Namen und Lebensläufe,
Religionen und Berufe je nach den Situationen und Zwickmühlen, in die er
geriet. 33 Jahre seines Lebens hat er in Gefängnissen verbracht, als Dieb,
Betrüger, Hochstapler oder Fälscher. Nach 1940 hat er nicht, wie er
behauptete, der Résistance angehört, sondern als Informant für die Deutschen
gearbeitet. Nach dem Krieg machte er "Karriere" in der deutschen
Psychiatrie. Er glaubte sich von Geheimdiensten verfolgt und gefoltert,
demonstrierte vor dem Bundestag und führte endlose Prozesse um
Wiedergutmachung.
Aber Jakob war auch ein Charmeur, ein Frauenheld, ein Spieler und ein
erfolgreicher Geschäftsmann. Er bezauberte alle, die ihn kannten. Zuletzt
lebte er von Sozialhilfe in Altona, tingelte durch Agenturen und verdingte
sich als Modell. Dieser rätselhafte Mensch erscheint hier, fern aller
denunziatorischen Rechthaberei, als Opfer und Täter zugleich. In dieser
unerhörten, minutiös rekonstruierten Biographie zeigen sich wie in einem
Brennspiegel die unheimlichen Wirrsale und Verstörungen des vergangenen
Jahrhunderts.