Die europäischen Parteienlandschaften erfahren gegenwärtig teilweise drastische Veränderungen. Bedingt sind sie durch den vieldiskutierten Aufstieg populistischer, nationalistischer und völkischer Tendenzen, aber auch durch das Aufkommen neuer demokratischer Bewegungen. Für die klassische Parteienforschung stellen diese Entwicklungen eine Herausforderung dar. Derzeit lassen sich viele spannende Versuche beobachten, das Geschehen einzuordnen: etwa in Studien zum Rechtspopulismus, zu den sich etablierenden neuen Parteien, zum Entstehen neuer Parteitypen in Europa und den Herausforderungen der Wahlforschung.
Aber eine wichtige Stimme ist in diesen Debatten zu einer der bedeutsamsten politischen Entwicklungen der Gegenwart erstaunlich leise: die Stimme der Soziologie - schon seit Jahr- zehnten ist ihr Verhältnis zu den Parteien vor allem durch Desinteresse geprägt.
Mit diesem Sammelband wird das Potential sichtbar , das in soziologischen Perspektiven auf Parteien steckt. Die aktuelle politische Situation scheint uns der geeignete Zeitpunkt zu sein, um dieses Vorhaben anzugehen: Die momentan sich abzeichnenden Veränderungen sind, so die These, zumindest teilweise von so grundsätzlicher Art, dass eine Beschränkung auf die klassischen Fragestellungen der Parteienforschung allein nicht mehr ausreicht. So wichtig und interessant insbesondere die Analyse einzelner Parteien - ihres Führungspersonals, ihrer Kultur, ihrer Strategien, ihrer Wählerschaft, ihrer Entwicklungs- potentiale etc. - im Verhältnis zu anderen Parteien ist, so sehr scheint sie momentan an ihre Grenzen zu stoßen. Grundsätzliche Veränderungen erfordern grundsätzliche Analysen, und der Soziologie mit ihrem breiten theoretischen und methodischen Repertoire kann es gelingen, wichtige Beiträge zur Beantwortung der Frage zu leisten: Welche gesellschaftliche Funktion erfüllen Parteien für das politische System und darüber hinaus?