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Die Geschichtsschreiber des Spätmittelalters erinnerten sich nicht in einheitlicher Weise an die jüngere und ältere Vergangenheit der Reichsverfassung. Im Gegenteil: Jeder sah sein Eigenes und sein Ganzes und versuchte, die in seiner Region präsenten Kurfürsten oder Großdynastien zu legitimieren. In der Vorstellung von der Reichsverfassung stimmten die Autoren nur im Abstrakten überein, etwa in der Würde des Reiches und seiner wichtigsten Glieder, im Recht des deutschen Königs auf den Kaisertitel oder im Bestand des Reichs als Wahlmonarchie. Im Konkreten gingen die Haltungen der Autoren weit auseinander: in Fragen der Spitzenposition unter den Kurfürsten, des Abstimmungsmodus, des Verhältnisses von Wahl und Krönung oder der Rechtmäßigkeit der Absetzungen.Der Band zeigt den - hinsichtlich der Reichsverfassung - erstaunlich schmalen Grundkonsens der spätmittelalterlichen Historiographen und den Dissens in konkreten Verfassungsfragen. Und er zeigt, auf welche Weise die Autoren Legitimierung und Legitimität der eigenen Seite durch interpretierende Erinnerung gleichsam »herzustellen« versuchten.