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Was hat die Kriminalliteratur mit der Paranoia und den Sozialwissenschaften zu tun? Dieser Frage geht Luc Boltanski in seinem höchst originellen, preisgekrönten Buch nach. Seine Antwort: Wie die Sozialwissenschaften entsteht auch die Kriminalliteratur um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, und in diese Zeit fällt auch die Entdeckung der Paranoia in der Psychiatrie. Zusammen zeugen sie von einem sich zunehmend verbreitenden Zweifel an der »Realität der Realität«, der als Symptom der Moderne gelten kann.
Boltanski deckt diesen faszinierenden Zusammenhang zwischen Kriminalliteratur, Paranoia und Wissenschaft insbesondere durch fulminante Analysen der Romane von Arthur Conan Doyle und Georges Simenon auf. Während in England der Privatmann Sherlock Holmes durch die Lösung von Rätseln und Komplotten in der englischen Oberschicht die Stabilität der Realität wiederherzustellen sucht, ist es in Frankreich der asketische Beamte Maigret, der in den Pariser Milieus seine Nachforschungen anstellt. Auf brillante Weise verknüpft Boltanski seine literatursoziologischen »Ermittlungen« zur Kriminal-, Spionage- und Verschwörungsliteratur mit solchen zum Paranoia-Diskurs in der Psychiatrie und zur Entstehung der sozialwissenschaftlichen Erforschung der sozialen Realität: Wie der Detektiv oder Kommissar sucht auch der Paranoiker oder Sozialwissenschaftler nach der Wirklichkeit hinter der sozialen Wirklichkeit. Ein Meisterstück!