Was für Gedichte kann man schreiben in einer Sprache wie dem Chinesischen, an deren Verben sich keine Zeitform oder Person zeigt? Die Antwort des Lyrikers und Essayisten Yang Lian lautet: Gedichte, die Sinn nicht linear entfalten, die Zustände artikulieren, keine Handlungen. Die die Dinge auf diese Weise in Urbilder verwandeln. Die die archaische Lyrik Chinas und ihre Chiffren auf der Basis des modernen Gedichts seit Pound und Eliot wieder auferstehen lassen. Die von Masken handeln, von Krokodilen, von Sonne und Mond, von Knochen und Zähnen. So rühren sie an die dunklen, großen Themen der Literatur, die nicht an den Grenzen von Kontinenten haltmachen: Erfahrungen des Exils, die Möglichkeiten und Grenzen der Sprache, an Liebe, Vergänglichkeit und Tod.
In seinen Essays und Reflexionen, die die Gedichte begleiten und flankieren, entfaltet Yang Lian diese Poetik der Überzeitlichkeit und -räumlichkeit. Als Dissident, der nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung im Jahr 1989 seine Heimat verließ und heute im Londoner Exil lebt, nimmt er Stellung zur gegenwärtigen Lage in China, verknüpft dabei stets das Poetische und das Politische. Denn es ist das Gedicht, das uns eine Sprache erschließt, mit der wir lernen können, auch das Politische neu und anders zu denken.