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Wie die sogenannte sprachkritische Wende zu Beginn dieses Jahrhunderts einen Wechsel von der Bewußtseinsphilosophie zur Sprachphilosophie vollzog, möchte der »Methodische Kulturalismus«, der sich in Band 1272 der stw programmatisch vorgestellt hat, eine »Kulturalistische Wende« vollziehen: vom im letzten halben Jahrhundert zur vorherrschenden Strömung innerhalb der Philosophie gewordenen Naturalismus zum Kulturalismus. Der Naturalismus läßt sich am besten durch die These charakterisieren, daß alles Geschehen eigentlich Naturgeschehen ist in dem Sinne, daß es mit den Mitteln der Naturwissenschaften (wenigstens prinzipiell) vollständig beschrieben und erklärt werden kann - auch das Handeln des Menschen und seine Kultur. Doch trifft die extreme naturalistische Diskursverengung auf den naturwissenschaftlichen Diskurs zunehmend auf Widerstand. Was die Antinaturalisten unterschiedlicher Provinzen eint, ist die Einsicht, daß auch die vom Naturalisten in Anspruch genommenen Naturwissenschaften als gesellschaftliche Praxen Bestandteil unserer Kultur sind und in ihren Geltungsansprüchen kulturimmanenten Rationalitätsnormen unterworfen bleiben. Dies wird schließlich zur Grundüberzeugung des Kulturalismus: Erkenntnistheoretisch primär ist das aus einer Wir-Perspektive des Teilnehmens sich vollziehende gemeinsame Handeln, das in der Schematisierung zur Praxis und in der Tradierung zur Kultur wird.
Die kulturalistische Wende des philosophischen Selbstverständnisses möchte vor allem gravierende thematische Verkürzungen philosophischer Reflexion rückgängig machen. Dabei darf diese Forderung nicht als Plädoyer für ein Zurückfallen hinter die sprachkritische Wende mißverstanden werden. Insofern auch der Naturalismus im Grunde der Idee der Aufklärung verpflichtet war, muß der Kulturalismus im dialektischen Gang der Philosophiegeschichte nicht nur sein Überwinder, sondern auch sein legitimer Erbe sein.