Zeitenwechsel: Germanistische Literaturwissenschaft vor und nach 1945

Auch die Geisteswissenschaften leben nicht mehr im Stande akademischer Unschuld. Die Germanistik beispielsweise mußte sich spätestens Ende der sechziger Jahre unangenehme Fragen nach ihrer ideologischen Verstrickung in den Nationalsozialismus gefallen lassen. Fragen, die nicht nur auf eine personelle Entnazifizierung des Faches zielten, nicht nur dem Mythos vom Neubeginn nach 1945 zu Leibe rückten, sondern eine ganz allgemeine Debatte zum Status geisteswissenschaftlicher Erkenntnis in Gang brachten. Unversehens rückten außer- und vorwissenschaftliche Weltvorstellungen, die die Arbeit der Philologen und Literaturhistoriker prägten, ins Zentrum des Interesses. Daß eine kritische Reflexion geisteswissenschaftlicher Methoden die Binnenperspektive des Faches und seiner Vertreter überschreiten muß, war ein wesentliches Resultat der Debatte. Die Herausgeber zeichnen ein vielgestaltiges Bild der Literaturwissenschaft vor und nach 1945 und dokumentieren, wie eine subtil verfahrende Wissenschaftsgeschichte zum Medium einer ihre Erkenntnisprozesse kritisch befragenden Geisteswissenschaft wird.