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Die Immunschwachekrankheit Aids verbreitet sich weiter; bis zum 30. 10. 1988 waren in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin etwa 2700 Patienten als Aids-krank gemeldet. Bei der Weltgesund heitsorganisation liegen Meldungen aus 152 Landern iiber 120000 Patienten mit Aids vor. Auch in Deutschland steigt die Zahl der HIV Infizierten noch - wenn auch offenbar nicht ganz in dem zunachst befiirchteten AusmaB. Ein Impfstoff gegen HIV ist bisher ebensowe nig gefunden worden wie ein heilendes Medikament. Dariiber hinaus sind nach wie vor die Aussichten auf die Entwicklung einer kausalen oder einer kurativen Therapie unverandert schlecht. Das Wissen urn die Krankheit hat sich so schnell und intensiv verbreitet wie nie zuvor in der Geschichte einer Krankheit. Zahlreiche Aspekte zur Ursache, zur Pathogenese und zum klinischen Erscheinungsbild sind aufge klart, erste Therapieversuche sind mit gewissem Erfolg begonnen worden. Trotz dieser Fortschritte bleibt die Virusinfektion eine t6dliche Bedrohung, die jeden einzelnen treffen kann. Nach naturwissenschaftlichen Kriterien ist die Atiologie von Aids bekannt. Dennoch ist diese Krankheit bisher nicht beherrschbar und weckt in uns archaische Angste. Das ist eine giinstige Voraussetzung dafiir, das "Aids-Problem" zu vermarkten. Todesahnung und Sexua litat sind weitgehend tabuisierte Themen unserer diesseitig orientier ten materiellen Lebenseinstellung. Durch die Konfrontation mit Aids sind wir gezwungen, uns auch diesen Problemen wieder zu stellen. Das fallt uns nicht leicht. lahrhunderte hindurch wurde eine Seuche mit Strafe und Schuld verbunden; Schuldige wurden gesucht und entsprechend behandelt.