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Wenn man die besonders in den letzten fünf Jahrhunderten sehr dynami sche, sich noch immer beschleunigende Entwicklung Europas bzw. der westlichen Welt und die kulturkritische Diskussion der Gegenwart verste hen will, ist es notwendig, auch die Rolle zu erkennen, die dabei das Ver hältnis zum Phänomen Zeit spielt. In vielen Einzelbeobachtungen ist dies gespürt und nachgewiesen worden, aber bisher fehlt eine zusammenfas sende Darstellung, wie sie hier versucht wird. Der Kulturbereich, den man mit dem konstituierenden Vorspiel im Orient in geschichtlicher Folge als Abendland, Europa oder moderne westliche Welt bezeichnet, unterscheidet sich von anderen Kulturen durch ein besonders sensibles, scharf ausgeprägtes und in ständiger Auseinan dersetzung mit Ideen und Realitäten herausgefordertes und geprägtes, sich wandelndes Zeitbewußtsein. In keiner anderen Kultur hatte und hat Zeit eine vergleichbar wesentliche Bedeutung. Das europäische Zeitbewußtsein wurde von frühen Lebenserfahrungen im Vorderen Orient, von religiösen Vorstellungen insbesondere des Juden tums und Christentums, von zunehmender Zeitgliederung durch Uhren und Kalender, von der Entwicklung der Naturwissenschaften, von den Be dürfnissen einer städtischen und arbeitsteiligen Gesellschaft, von den Ei gengesetzlichkeiten der Wirtschaft und von der Entfaltung des Selbstbe wußtseins der Bildungseliten sowie später immer größerer Schichten der Gesellschaft geformt und aktiviert. Das jeweilige Zeitbewußtsein einer Epoche gründet also nicht in sich selbst, sondern ist einerseits Ausdruck übernommener Tradition, andererseits auch eigener Lebenserfahrungen, religiöser Erlebnisse, wissenschaftlicher Welterkundung, des Selbstbe wußtseins innerhalb der Geschichte und der jeweiligen Art, den Sinn des Lebens zu deuten.