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Mit dem VI. Buch der "Nikomachischen Ethik" legt Hans-Georg Gadamer nach der im gleichen Verlag erschienenen Studienausgabe des XII. Buches der "Metaphysik" einen weiteren Haupttext der aristotelischen Philosophie in neuer Übersetzung vor. Mit diesem Gründungstext der praktischen Philosophie, in dessen Zentrum die Klärung des praktischen Wissens der "Phronesis" steht, präsentiert Gadamer einen entscheidenden Bezugspunkt seines eigenen Denkens und damit der von ihm begründeten philosophischen Hermeneutik.
Darüber hinaus stellt die aristotelische Konzeption der "Phronesis" auch die maßgebende Grundlage der "Rehabilitierung der praktischen Philosophie" (Rüdiger Bubner) unserer Tage dar. Diese Rehabilitierung setzt schon mit Heideggers Phänomenologie des Daseins ein. Ihr geht es um die zeitgemäße Aneignung der aristotelischen Ethik, geleitet von der Frage, ob nicht die auf die konkrete Situation bezogene praktische Philosophie des Aristoteles der Kantischen Moralbegründung im Rahmen einer am reinen Sollen orientierten Pflichtethik vorzuziehen sei. Diese Fragestellung bildet den Hintergrund einer ausführlichen Einleitung sowie eines Nachwortes zur "Begründung der praktischen Philosophie bei Aristoteles", in dem Gadamer die philosophiegeschichtliche Einordnung und inhaltliche Erläuterung eines Textes unternimmt, der sein eigenes Denken entscheidend geprägt hat.