<p>Stilbildend nimmt Kleist in seiner 1808 erschienenen Novelle deren prägendstes Gattungsmerkmal, das »unerhörte Ereignis« (Goethe) auf: Dies wird dem Leser bereits zu Beginn in Form einer Zeitungsanzeige präsentiert, in der die ungewollt schwangere und darum von den Eltern verstoßene Marquise nach dem ihr unbekannten Kindsvater sucht. Zunächst von den Zeitgenossen verpönt, gibt Kleists ›Marquise‹ bis heute Anlass zu zahlreichen dramatischen und filmischen Adaptionen. Kleist selbst hat seine ebenso tragische wie ironische Novelle mehrmals umgearbeitet. Der innere Kampf seiner Heldin um Verstehen, Verdrängen und Verzeihen ist später nie wieder in so kunstvoller Subtilität geschildert worden. </p>