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Die Klassische Philologin und Leibniz-Preisträgerin Gyburg Radke befreit in ihrem wegweisenden Buch die hellenistische Dichtkunst von ihrem Ruf, letztlich nur eine wenig inspirierte Klügelei zu sein, ein matter Abglanz vergangener, wahrer Größe. An die Stelle dieses traditionellen Fehlurteils setzt sie die Entdeckung des revolutionären poetischen Programms einer bedeutenden literarischen Epoche, die prägend für die Moderne geworden ist.
Die Protagonisten sind alle bekannt - unter ihnen finden wir Zeus und Apollon, Herakles und Achill. Doch begegnen uns diese tragenden Gestalten der griechischen Mythologie in den Versen hellenistischer Dichter noch als Kinder. In deren Hymnen und Epen werden sie also in eine Zeit zurückgespiegelt, bevor der Kosmos geordnet und sein Personal so gereift war, wie wir sie aus den Werken Homers, Hesiods und der griechischen Tragiker kennen.
Gyburg Radke weist in eindringenden Analysen anhand zahlreicher Beispiele nach, daß große Literaten des Hellenismus wie Kallimachos, Apollonios von Rhodos oder Theokrit sich mit diesem Kunstgriff von überkommenen Traditionen bewußt befreien. Sie zeigt, wie vorgegebene Kontexte, Konventionen und äußere Regeln zugunsten phantasiegeleiteter schöpferischer Akte außer Kraft gesetzt werden: Die älteren Texte und Inhalte werden als Produkte einer abgeschlossenen Vergangenheit begriffen, zur Literaturgeschichte erklärt und so einer radikal neuen Poetik frei verfügbar gemacht.
Mit diesem Werk hat die Autorin ein neues Kapitel in der Erforschung antiker Dichtung aufgeschlagen und die Ehrenrettung einer zu Unrecht unterschätzten Epoche der Literatur besorgt.