Rund 47000 Menschen bevölkern die achtzehn schroffen, baumlosen Inseln, die zwischen Island, Schottland und Norwegen im Nordatlantik liegen. Jahrhundertelang blühte hier eine mündliche Tradition mit Balladen, Sagen und Märchen. Daraus ist eine selbstbewusste, erzähl- und experimentierfreudige Literatur auf Färöisch entstanden, die sich von ihren kleinen Inseln aus die großen Themen der Menschheit zu eigen macht.
Die vorliegende Anthologie versammelt die besten Geschichten der färöischen Literatur, von ihren Klassikern wie Regin í Li und William Heinesen bis zur jüngsten Generation, vertreten u.a. durch Marjun Kjelnæs und Elias Askham. Für deutsche Leser wird so erstmals eine bislang kaum übersetzte Literatur in ihrer ganzen Vielfalt zugänglich.
"Es war einmal ein Land im Meer, weit entfernt von allen anderen Ländern. Das Land war außerdem grün und schwarz und verteilte sich auf kleine Inselperlen, wie ein Armband, dessen Verschluss aufgegangen war."
Marjun Kjelnæs, "Die Kette"
"Wie ich schon oft, vielleicht aber nicht überzeugend genug behauptet habe, weil es immer noch Menschen zu geben scheint, die sich skeptisch dazu verhalten, liegt der absolute Mittelpunkt der Welt auf den Färöern und heißt Tórshavn.
Von dieser uralten Stadt am Meer aus waren nicht nur Sonne und Mond, das Siebengestirn und die Milchstraße zu sehen, sondern auch die wüsten und leeren Wasser. Weiterhin konnte man den grünen Hang Høgareyn erkennen, wo Adam in einer Wildnis aus Engelwurz und Kerbel saß und den Tieren Namen gab, und dahinter waren die Konturen der hochgelegenen Steinwüste Kirkjubøreyn auszumachen, wo später die Arche Noah strandete. Der Südwind, der vom offenen Meer her kam, brachte Düfte aus fernen Gegenden mit, aus den Tropen und von Feuerland, und in klaren Morgenstunden konnte man fern am Horizont die vagen Umrisse von Magellans und Marco Polos verruchten Segeln ahnen."
William Heinesen, "Nasse Heimat"