Die Religion der Kafiren, also der heutigen "Nuristani" im Nordwesten Afghanistans, faszinierte alle europäischen Reisenden, die sich noch vor der Zwangsbekehrung zum Islam gegen Ende des
- Jahrhunderts ihrem Lebensraum nähern konnten. Die Kafiren verehrten mit Opferriten, die zum Vergleich mit jenen der abendländischen Antike herausfordern, Götter mit zum Teil aus den Veden bekannten Namen. Hier wird der historische Hintergrund des bislang nur in ethnologischen Kategorien erfassten Materials klargestellt. Um zu zeigen, dass selbst heute noch 80 Jahre nach der Bekehrung, mit wesentlichen Ergänzungen unseres Wissens von der Religion der Vergangenheit zu rechnen ist, sind zwei Beiträge von Feldforschern aufgenommen: Schuyler Jones, am Department of Ethnology and Prehistory der Universität Oxford tätig, berichtet über das Waigal-Gebiet, Max Klimburg, Leiter der Außenstelle des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg in Kabul, über das Ashkun-Gebiet.
Westlich der Kafiren, auf pakistanischem Gebiet, lebten die dardischen, eine indische Sprache sprechenden Kalash, die letzten Heiden des Hindukusch, deren Religion auf angesichts des unabwendbaren Untergangs eine erstaunliche Dynamik zeigt.
Die Shina-sprechenden Darden, deren Hauptverbreitungsgebiet die Gilgit Agency ist, wurden zwar in einem Prozess, der erst im
- Jahrhundert seinen Abschluss fand, zum Islam (oder Lamaismus) bekehrt, daneben blieb jedoch eine Komplementärreligion lebendig, die offenbar bereits den Buddhismus überdauert hatte. Ihre Grundkonzeptionen werden hier erstmalig herausgearbeitet, wobei der Zusammenhang mit den religiösen Systemen der Kafiren und Kalash sichtbar wird.
Schließlich wird die Religion der Kho, der dardischen Grundbevölkerung Chitrals, dargestellt. Es ergibt sich, dass Chitral die wichtigste Einbruchszone iranischer Vorstellungen in ein indisches Sprachgebiet ist.
Die Fülle unpublizierten Materials, das in dieses Buch eingegangen ist, die vielfältigen Beziehungen zu den Nachbargebieten, die dabei deutlich werden, lassen ein Quellenwerk entstehen, das für den, der sich mit den Religionen Indiens, Irans oder Zentralasiens beschäftigt, künftig nicht zu umgehen sein wird.