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Ihre Lyrik verstand Anne Sexton ausdrücklich als Umformung ihres intensiven Lebens. Der Reiz ihrer Briefe liegt nun darin, daß hier auf ebenso leidenschaftliche wie selbstkritische Weise die Ereignisse geschildert werden, die dieses lyrische Selbst prägten. Da Anne Sexton nicht nur Zeit ihres Lebens die eigene Todessehnsucht zum Thema ihrer Lyrik machte, sondern ihr Selbstmord für ihre Nachwelt immer ein Rätsel bleiben muß, ist man geneigt, in diesen Briefen eine Antwort auf diese Todessucht zu suchen. Tatsächlich wird in diesen Briefen auf ungewöhnlich offene Weise die Verzweiflung und Verlassenheit geschildert, mit der Anne Sexton auf die vielen Tode in ihrer Familie reagiert, so wie sie rückhaltlos Aufzeichnungen der eigenen Delirien, Halluzinationen und Angstvorstellungen an ihre Freunde schickt.
Doch die Briefe dokumentieren auch den mannigfaltigen Ausdruck der Liebe für ihre Mitmenschen: die Zärtlichkeit für ihre Töchter, das Eingeständnis der Abhängigkeit von ihrem Ehemann, die grenzenlose Forderung nach Anerkennung und Zuwendung, die sie an ihre Liebhaber stellt. Zugleich zeigen sie Sextons Professionalität: die Entschlossenheit, ihre Gedichte auf dem literarischen Markt durchzusetzen, Eifersucht auf die Erfolge anderer, aber auch die Ehrfurcht, die sie für andere Autoren empfindet. Es entsteht das Portrait einer widersprüchlichen Frau, die ebenso von den Dämonen des eigenen Wahnsinns und den Phantomen ihrer Verstorbenen getrieben ist wie von einer unerbittlichen und überschwenglichen Bejahung des Lebens.