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Reiner Kunzes Essayband »Das weiße Gedicht« besteht aus drei großen Teilen. Im ersten finden sich unter dem Titel »Konsequenzen des Ästhetischen« die Münchner Poetik-Vorlesungen, die Reiner Kunze im Frühjahr 1989 an der Universität München hielt und die ein großes Publikum in ihren Bann schlugen. Die Souveränität des Kunstwerks, seine Resistenz gegen das Ideologische, die Struktur des dichterischen Bildes, das Nachdichten und das Übersetzen und schließlich sein Leben als Schriftsteller in der DDR sind hier die Themen.
Im zweiten Teil, der »Hommagen« enthält, wendet sich Reiner Kunze bekannten (Heinrich Böll) und weniger bekannten Künstlern der Literatur, der Malerei und der Musik zu. Und im dritten und abschließenden Teil geht es um den »gedeuteten Autor« - die Rolle, die Interpretation für das Verständnis von Lyrik spielt.
»Hätte ich ein weißes Erlebnis gehabt und versucht, ein weißes Gedicht zu schreiben, und ein Leser würde sagen, das Gedicht sei schwarz., könnte ein Grund dafür sein, daß ich mit dem Weiß des Erlebnisses zu sparsam umgegangen bin, so daß das Gedicht grau wirkt und der Leser, dunkel vorgestimmt, vor allem die Schwarztöne herausspürt. Denkbar wäre aber auch, daß der Leser keinen Zugang zu diesem Gedicht findet oder nicht mein Leser ist oder überhaupt mit Gedichten wenig Erfahrung hat.
Würde dagegen ein Mädchen, das über und über verliebt und also lila gestimmt ist, dieses Gedicht als lila empfinden, spräche das weder dagegen, daß das Gedicht weiß ist, noch gegen das Poesieverständnis des Mädchens - im Weiß sind alle Farben des Regenbogens gebündelt.«
Reiner Kunze