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Weit entfernt von der Normalität
Deutschland 1945 nach dem Schock der Stunde Null. Das langersehnte Kriegsende stellt viele vor die Frage: Was nun? Bald erweist sich, wie stark der verlorene Krieg die Menschen geteilt hat. Da irren die einen innerlich zerstört umher. Sie haben Heimat, Haus und Existenz verloren und vermissen Familienmitglieder. Andere besitzen noch alles und können ziemlich unverändert weiter leben. So kommt es, dass die Sorgen und Nöte der Menschen nur scheinbar gleich sind.
Hans Bruchschmidt, einer der Zeitzeugen dieses Bandes, fügt einen weiteren Aspekt hinzu: 'Im Kampf gegen Hunger, Kälte und Verzweiflung war in den Jahren 1945/46 Organisationstalent gefragt, das außerdem oft auch eine Portion Frechheit und Mut erforderte. Wenn dann noch eine Prise Beziehungen hinzukam, konnte man mit seiner Familie diese bittere Mangelzeit einigermaßen unbeschadet überstehen'.
Von schwieriger Heimkehr aus Evakuierung und Kriegsgefangenschaft, von Hamsterern, Schiebern und Schwarzmärkten, von total überfüllten Zügen und Problemen mit den Besatzern, von Hunger und Krankheit erzählen die Geschichten in diesem Buch. Doch die Menschen versuchen auch, ihr Leben sofort wieder zu ordnen. Jeder erfolgreich gemeisterte Tag läßt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft wieder wachsen.
Der 14-Jährige Harry nimmt sein Glück selbst in die Hand. Die Kriegswirren haben ihn nach Usedom verschlagen. Sein Heimweh ist so groß, dass er die 200 Kilometer nach Berlin mit einem notdürftig zusammengebastelten Fahrrad überwindet. Sechs Tage fährt er übers Land - eine unvergessliche Reise und ein unbeschreibliches Glück, als er Mutter und Vater in die Arme schließen kann.
Viele engagieren sich, um die Not anderer zu lindern. So berichtet die damals 18-Jährige Elisabeth von ihrer Mitarbeit bei der Berliner DEFA Wochenschau "Der Augenzeuge". Dort stellt sie "elternlose" Kinder vor der Kamera vor, damit die Familien wieder zusammenfinden. Sie schildert bewegende Momente des Wiedersehens.
Ein unbändiger Lebenshunger treibt die jungen Menschen jedes Wochenende mit leerem Magen auf die Tanzböden, wo Männermangel herrscht. Wir erleben Anneliese`s Vorfreude auf eine scheinbar wunderbare Suppe aus gefundenen Ingredenzien. Doch die Speise erweist sich als nahezu ungenießbar. Und wir erfahren, warum Irmgard bei der Hochzeitsfeier ihrer Schwester eine Backpfeife bekommt. Alfred`s Großmutter tischt einen Katzenbraten auf, der dem Schwerkranken gegen Tbc helfen soll.
Das Buch gibt authentische Einblicke in die schwierigen Lebensverhältnisse in Deutschland 1945-1947. Jüngeren Lesern bietet sich mit den nachdenklichen, aber auch hoffnungsvollen Geschichten ein spannender und ungewohnter Zugang zur Jugendzeit ihrer Großeltern. Die persönliche Zeitzeugen-Berichte lassen ein lebendiges und differenziertes Bild der damaligen Zeit entstehen.