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In Augenblicken - wie sie sich geschichtlich beispielhaft in der Weimarer Republik zeigen - sozialer Desorganisation, in denen Moral ihre Überzeugungskraft eingebüßt hat, werden Verhaltenslehren gebraucht, die Eigenes und Fremdes, Innen und Außen unterscheiden helfen. Sie lehren, Vertrauenszonen von Gebieten des Mißtrauens abzugrenzen, und helfen, Identität in der Fremdwahrnehmung der wetteifernden Personen zu bestimmen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hatten in dieser Funktion Verhaltenslehren der Kälte Konjunktur. Es ging, wie Helmuth Plessner 1924 formulierte, um die Erlernung von Techniken, »mit denen sich die Menschen nahe kommen, ohne sich zu treffen, mit denen sie sich voneinander entfernen, ohne sich durch Gleichgültigkeit zu verletzen«. Es gilt, die Künstlichkeit der Gesellschaftsformen als natürliches Milieu des Verhaltens zu erschließen, um die in der deutschen Kultur versäumte Verhaltenssicherheit zu gewinnen. Helmut Lethen rekonstruiert im vorliegenden Band den Habitus des Subjekts der Verhaltenslehre der Kälte im Umfeld seiner Handlungsmöglichkeiten und im Horizont seiner »vergangenen Zukunft«. Dabei werden die ungeheuren Denkchancen, die in den Denkexperimenten der zwanziger Jahre liegen, nicht verdunkelt.