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Das Samba-Land Brasilien ist eine Boom-Nation. Aus der Raupe einer hässlichen Militärdiktatur ist in den vergangenen Jahrzehnten ein bunter demokratischer Schmetterling geworden. Durch seine Friedfertigkeit, seine Offenheit und seine Lebensfreude hebt sich das Land wohltuend von anderen Wachstumsstaaaten ab. Carl D. Goerdeler lebt seit dreißig Jahren in Brasilien und hat - zuerst als Diplomat, dann als Journalist - erlebt, wie dieses großartige Land gewachsen ist. Dennoch haben sich inzwischen Wehmut und Melancholie eingestellt. "Ich habe den Blues - den Brasilienblues", sagt er. Warum?
Vielleicht aus enttäuschter Liebe. Brasilien hat mächtig Muskeln angesetzt und sogar beträchtlichen Wohlstand erreicht, nicht nur für die Reichen. Doch die politische Kultur hat dabei nicht Schritt gehalten. Im Alltag ist die brasilianische Leichtigkeit sehr angenehm: Mit einer zweibeinigen Parkuhr kann man verhandeln, mit einem Parkautomaten nicht. Aber wenn es um mehr geht, um Gesundheit, Erziehung, Chancengleichheit, Gerechtigkeit, also um die Gesellschaftspolitik, sieht die Sache anders aus. In Brasilien sind eben nicht alle gleich vor dem Gesetz.
Der eine sagt: Das Glas ist doch schon halb voll. Der Autor meint: Es ist noch halb leer. Und er resümiert: "Wenn Brasilien ein Mensch wäre, dann steckte er in der Pubertät: Der Körper ist bereits ausgewachsen, doch im Kopf rumort eine Baustelle. Das beobachte ich auch an meiner Tochter, die ich so liebe wie das Land, in dem sie geboren ist und aufwächst; es ist ganz schön stressig mit den beiden.